[14h50]Auf einer Pressekonferenz teilt Capello mit, dass die FA erst in zwei Wochen über die Zukunft von Fabio Capello entscheiden will.
Nach einer Besprechung mit seinen Assistenten zeigt sich Capello über den körperlichen Zustand der Spieler überrascht, die seit Ankunft in Südafrika, inkl. Testspielen, bei weitem nicht so fit und präsent gewesen sind, wie in den Spielen davor.
Das nicht gegebene zweite Tor hat die Chemie des Spiels verändert.
Auf die Frage eines Journalisten ob Fabio Capello mit der Antwort der FA zufrieden ist, dass sie sich zwei Wochen Bedenkzeit erbeten hat, reicht die Frage weiter an einen Vertreter der FA (Adrian Beavington). Nachfrage des Journalisten: “Sind Sie zufrieden mit der Antwort der FA?” – “Ja” – “Wirklich?” – “Ich habe viele Angebote für diesen Job abgelehnt, weil ich diese Aufgabe mag.”
Capello will nicht auf Verband und Premier League einwirken um eine Winterpause der Liga zu bekommen, weist aber darauf hin, dass die Deutschen mit Winterpause fitter wirkten.
Die Journalisten insistieren mehrmals auf die Frage ob weiterhin 4-4-2 gespielt wird. Nach der vierten Nachfrage nimmt Beavington wieder das Mikro an sich, erzählt bißchen was und beendet die PK.
[13h25] Helmut Krug in der ARD: “Alle Schiedsrichter befürworten den Chip im Ball”. UEFA plant das Experiment mit den beiden zusätzlichen Torrichtern auch auf die nächste EM auszuweiten.
[13h08] Auf die Frage einer deutschen Journalistin bei der Nationalmannschafts-PK, was man die nächsten 36 freien Stunden machen würde, etwas mit der Freundin kuscheln, meinte Miro Klose trocken: “Ich bin leider alleine hier. Da bleibt mir wohl nichts anderes übrig als mit dem Harald (Stenger) zu kuscheln. Aber das ist dann auch nicht so schön.”
[12h09] Rafa Honigsteins Analyse des englischen WM-Ausscheidens bei Sports Illustrated: “England needs to learn from failure of ‘Golden Generation’”
[11h59] Der Gruner + Jahr-Verlag (“Stern”) hat die Mehrheitsanteile (51%) an den “11 Freunden” übernommen. Qu: Meedia.
[11h35] Ich bin kein Freund bayrischer Präpotenz, aber man darf trotzdem mal kurz darüber nachdenken, wie die deutsche Mannschaft bei dieser WM abgeschnitten hätte, wenn der FC Bayern nicht Louis van Gaal geholt hätte und dieser Müller in die erste Mannschaft hochgeholt und eingesetzt hätte und Schweinsteiger zum Sechser “umgeschult” hätte (plus Badstuber im Hinterkopf)
“Welche Geschichte!”
[11h27] Der Titel der L’Équipe ist genauso doppeldeutig gemeint, wie es sich auf Deutsch (“Welche Geschichte!“) in Anspielung auf Wembley anhört.
Ich halte übrigens dieses Foto von Neuer, egal ob aus dieser Perspektive oder der entgegengesetzten Perpektive vom Seitenrand, bereits jetzt für eines der markantesten Sportfotos aller Zeiten: ich kann gar nicht aufhören hinzugucken, wie Neuer scheinbar im Widerspruch zu allen physikalischen Gesetzen im Raum zu schweben scheint.
Im Übrigen lieferte Manuel Neuer gestern auch faszinierende Zeitlupen-Bilder: wie er sich immer wieder mit geschlossenen Augen und verzerrtem Gesicht den Schüssen entgegenwarf und die Schüsse an den kleinen Fingern seiner Hand abprallten und die Finger noch Sekunden lang nachschlackerten. Zum ersten Mal kann man mit eigenem Auge nachvollziehen, warum Torwartfinger nach 20 Jahren Leistungssport so aussehen, wie sie aussehen.
Die L’Équipe hat dem Spiel vier von sechs Sternen gegeben. Die Spielernoten: Boateng mit 4/10 Punkten der schwächste deutsche Mann (sprang beim Upson-Treffer nicht hoch, Zeichen dafür, dass er mit dem kopf nicht im Spiel war), gefolgt von Neuer (5/10, zu zögerlich in der Luft aber entscheidende Torvorlage gegeben). Topleute: Müller und Friedrich (8/10) und mit je 7/10 Punkten: Klose, Özil und Schweinsteiger. Auf englischer Seite: Upson und Terry mit 2/10, Defoe, Barry, Milner, Johnson und Ashley Cole 3/10, James und Rooney 4/10.
“Nach dem gestrigen Triumph ist kein Zweifel mehr erlaubt: Deutschland kann zur Überraschungsmannschaft werden, die bis zum Endspiel alles auf den Kopf stellen kann. Sein Offensivfußball, enthusiastisch und erfrischend, trotzdem wohl überlegt in der Spielorganisation, machen sie zum Favoriten der Herzen für diese WM […] natürlich hat ihnen in einigen Momenten Ballack gefehlt, um Luft zu schnappen und als diese jungen Deutschen mitten im Tornado nach einem Ruhepol suchten – aber mit ihm würden sie auch niemals so schnell spielen. Und diese Geschwindigkeit muss erst eingeholt werden.”
[10h54] 40sekündiger akustischer Blutrausch vom ehemaligen englischen Nationalspieler Chris Waddle auf BBC 5live gestern nach dem Spiel.
“Wenn wir im Krieg
genauso schlecht
verteidigt hätten,
würden wir jetzt alle
Deutsch sprechen”
Fußball-Beilage
der Times
[10h45] Ein Punkt der bei BBC 5live immer wieder diskutiert wird: wie heiß sind englische Spieler auf die WM? Die Beobachtung des Sportmoderators der Frühstücksendung: bei einem Interview eines Spielers hätte er eine Reihe von “Entweder-Oder”-Fragen gestellt: Coca Cola oder Pepsi? Restaurantbesuch oder Kino? etc…
Bei der Frage “Champions League oder WM” kam vom Fußballer wie aus der Pistole geschossen: “Champions League”.
[10h28] Grundsatzdiskussionen über Videobeweis/Instant Replay bitte hierhin.
[10h23] Am Tag danach ist England komplett am Boden zerstört. Die Aufmerksamkeit gilt dabei kaum dem nicht gegebenen Lampard-Treffer, sondern den Spielern und dem Trainer. Fabio Capello wird sich heute nachmittag gg 14h30 deutscher Zeit auf einer Pressekonferenz noch einmal äußern. Er wollte gestern sich nicht äußern, wie es um die restliche Laufzeit seines Vertrages (2 Jahre) bestellt ist.
Rückblickend betrachtet, war die Leistung der englischen Mannschaft und von Fabio Capello im ganzen Turnier schockierend und gestern größtenteils schwach. Auch zwei Jahre nach Amtsantritt zeigten sich nach einer sehr smoothen Qualifikation überraschend viele Probleme ungelöst und Capello, der Trainer-Mastermind, ist so ziemlich über alles gestolpert, was es zu stolpern gab.
Er hat die Torwartfrage nicht gelöst, sondern lange offen gelassen, mit Robert Green im ersten Spiel einen Flop gelandet und ist danach sofort umgekippt statt die Verunsicherung auszutreten. David James hat gestern keinen Riesenbock gemacht, aber durch sehr frühe Entscheidungen für eine Torecke die Arbeit der Torschützen nicht wirklich erschwert.
Die Abwehr wirkte gestern wie ein Hühnerhaufen, ohne wirkliches Verständnis oder Antizipation für die Position der Kollegen, mit teilweise erschreckenden Lücken zwischen den Spielern. Völlig unterbelichtet war das Offensivspiel der Viererkette, obwohl Glen Johnson und Ashley Cole großes offensives Potential hatten. Tatsächlich ist aber nie ansatzweise eine Chemie zwischen Johnson, Cole und ihren Mittelfeld-Pendants entstanden.
Ähnliche Probleme wie in der Abwehr auch im Mittelfeld, das ein horrendes Positionsspiel zeigte. Es fängt mit dem Problem Gerrard – Lampard an. Es ist schlichtweg fassungslos, dass auch Capello nach zwei Jahren dieses alte Problem nicht aussortiert bekam. Gerrard ist nicht in der Lage die Position links zu halten, weicht immer wieder nach innen aus, ohne dass seine Mitspieler darauf reagieren und auf die linke Seite ausweichen. Gerrard stößt daher zentral immer wieder in einem eh schon zu vollen Raum rein und steht sich mit Rooney und Lampard auf den Füßen. Für Gerrard ist dieser voller Raum reines Gift.
Gibt es eine andere WM-Mannschaft, dass im zentralen Mittelfeld so defensiv dünn besetzt ist, wie England, mit eigentlich nur Gareth Barry als midfield holder? Dies und die eh vorhandenen Probleme im Stellungsspiel der englischen Abwehr waren Gift gegen die schnellen deutschen Gegenstöße. Es ist ja nicht so gewesen, dass Deutschland mit den agilen Klose und Özil einen völlig überraschenden Game Plan hatten. War die englische Mannschaft wirklich so wenig darauf vorbereitet?
Ein völliges Rätsel ist für mich, mit welchen Anweisungen Milner ins Spiel gegangen ist. Statt auf dem rechten Flügel Druck zu machen, stand er häufig sehr viel weiter innen als noch im Spiel gegen Slowenien. Gegen Deutschland kamen nur sechs Flanken von Milner. Der mögliche Schwachpunkt Boateng wurde zu selten ausgelotet, obwohl Boateng wie gemacht für Milner zu sein schien.
Wayne Rooney kann man schnell mit der Bemerkung “ein Schatten seiner selbst” abhaken. Abgesehen von zahlreichen technischen Problemen (“Stockfehler”) war er auch die personifizierte Verunsicherung auf dem Platz, mit immer weniger Ballkontakten und blanker Ratlosigkeit wo er sich hinstellen sollte, teilweise von Gerrard auf die linke Seite rausgedrängt, wo er komplett verhungerte.
Capello verstand es auch nie einen Sturmpartner für Rooney zu finden. Lange Zeit schien Rooney mit Heskey zu harmonieren – nur um in der WM-Vorbereitung dieses Duo aufzureißen. In der WM-Vorbereitung schien sich dann Chemie zwischen Crouch und Rooney zu entwickeln, nur um dann beim ersten WM-Spiel wieder auf Heskey zu setzen und nach dessen schlechter Leistung gegen die USA plötzlich auf das Duo Defoe – Rooney zu setzen. Zwischen Rooney und Defoe hat sich aber im ganzen Turnier keine “Chemie” entwickelt – beide agierten eher als völlig autarke Stürmer.
Letztendlich zog sich ein Problem wie ein roter Faden durch alle WM-Spiele und durch alle Mannschaftsteile der Engländer: zu wenig Fluß im Spiel, weil keine Antizipation für die Aktionen der Mitspieler vorhanden war. Es ist der Verdacht nicht von der Hand zu weisen, das Capello es nicht geschafft hat, aus diesen elf Ego-Shootern ein Team zu formen. Nicht emotional und nicht taktisch.
Ich hatte vor dem Spiel auf ein 2:1 für England getippt. Ich konnte mir nicht vorstellen, dass Capello ein Spiel derart entgleiten lässt (Milner, Gerrard). Ich konnte mir nicht vorstellen das Rooney bei einem solch aufgeladenen Spiel eine derartige Antileistung anbieten würde.
Vor dem Spiel hatte ich geschrieben Capello würde Löw “outcoachen”. Eine noch nicht mal souveräne Leistung von Löw (siehe Jürgen Kalwas Bemerkungen zum Thema “Game Coach” in den Kommentaren) reichte aus, um einen völlig neben der Spur agierenden Capello bei dieser WM zu besiegen.