Sportjournalismus-Konferenz: Tag 1
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Der Vormittag
Die Sportjournalismus-Konferenz erweist sich Telekommunikationstechnisch ein bißchen als schwarzes Loch. Es gibt kein WLAN. Es gibt, abseits von Monitoren und Lautsprechern, Rechnerplätze und sogar tatsächlich ein Ethernetkabel das man zum Anstöpseln seines Rechners benützen kann.
Die erste Stunde der Konferenz war von Grußworten und einer einleitenden Rede von Jens Weinreich geprägt. Dann muste aufgrund einiger erkältungsbedingter Ausfälle und Probleme mit den Fliegern das Programm etwas umgestellt werden und es folgt ein knapp einstündiger Vortrag von Elmar Theveßen, seines Zeichens stellvertretender Chefredakteur und Leiter der ZDF-Hauptredaktion, kurz: im Bereich “Aktuelles” das zweithöchste Tier. Seine Spezialbereiche sind Terrorismus und Doping.
Theveßen entschuldigte sich zu Beginn für seine “evangelikal” aussehende Krawatte – er würde heute abend bei einer Diksussionsveranstaltung in Berlin sich Evangelikalen stellen. Es ist nicht nur die Krawatte die den Eindruck eines braven Konfirmantenschülers hinterläßt. Es war ein sehr geschmeidiges Auftreten mit einer Art Radar die ihn in die Lage versetzte Versuche ihn in eine Ecke zu treiben, bereits frühzeitig auszuweichen.
Theveßen referierte über Parallelen zwischen den Recherchen bei Doping und Terrorismus. Das war mitunter sehr pauschal und banal und allenfalls einige Anekdoten waren erhöhter Aufmerksamkeit wert.
So sei an Doping-Insider schwerer ranzukommen als an ihre Pendants beim Terrorismus. Während die Terror-Sympathisantgen oder Terroristen so von ihrem Tun überzeugt sind, dass sie vor Stolz platzen und leicht zum Reden zu bringen sind, wissen Doping-Insider von ihrem schlechten tun und haben ein entsprechend schlechtes Gewissen, würden daher nur ungerne reden.
Ein Aufhänger von Theveßen war die heute in der SZ auf der dritten Sportseite versteckten Meldung über eine anonyme Dopinganzeige gegen das Wiener Blutlabor, die gestern sowohl ZDF als auch SZ zugespielt wurden. Beide entschieden sich unabhängig voneinander zwar über die Anzeige zu berichten, aber die an der Anzeige angehängte Namensliste von Sportlern nicht zu veröffentlichen. Sei es weil es keine zweite Quelle gab und es somit – ähnlich wie vor einigen Wochen bei Hajo Seppelt – nur “Hörensagen” wäre. Sei es weil die Namensliste selber im Kontext zur restlichen Anzeige merkwürdig klang.
Bemerkenswert fand Theveßen dass die Meldung von der SZ nur hinten gebracht worden ist. Und auf der Website nicht veröffentlicht wurde, was auch Thomas Kistner/SZ bestätigte. Witzig. Die Creme de la Creme der Journalisten war nicht in der Lage die Meldung auf der SZ-Website aufzutreiben, im Gegensatz zu aas-Leser Mario. Liebe SZ, meine Rede: eure Sitestruktur und eure Suche borkt ganz schwer.
In der anschließenden Diskussion kam Theveßen dann von Kollegen unter Beschuß. In der Problematik mit “ZDF als Veranstalter z.B. von Boxwettkämpfen – wie glaubwürdig kann man dann noch gegen Doping eintreten” und in der Problematik von Kristin Otto, die kaum eine glaubwürdige Moderatorin für ZDF-Specials zum Thema Doping sei, wie schon mehrfach geschehen.
Leider ignorierte Theveßen die konkreten Vorwürfe (ältere, aktenkundige Papier aus DDR-Zeiten im Umfeld von Otto wie z.B. Schwimmkolleginnen und Trainer) und leider waren bei der Journalismuskonferenz gerade alle Nachfragen gerade aus (und ich elegant nur im Vorraum).
Der Nachmittag
Ich bin längst im roten Bereich. Ich habe die Nacht für die Präsentation morgen durchgemacht. Ich weiß nicht wie lange ich es noch aushalte…
Die veranstaltung hatte sich nach Elmar Theveßen eh schon eine mittelschwere Verspätung eingefangen. Nach einer kurzen Pause ging es mit Andrew Jennings weiter, denn ich aus Platzmangel auch nur aus dem Foyer vom Fernseher aus verfolgen konnte.
Andrew Jennings ist einer der bekanntesten investigativen Sportjournalisten. Ein Britte der der IOC und der FIFA hinterhersteigt und dessen Beiträge manchmal auch in der BBC zu sehen sind. Man muss diese Beiträge gesehen haben, denn Jennings – auch wenn die Machart seiner Filme mir nicht immer gefällt – ist eine ziemliche Type.
Und eine Rampensau vor dem Herrn. Der Mann spricht und gestikuliert original wie man es aus den Filmbeiträgen kennt: eine leicht nasale Stimme, altväterlich rauh, blaues Hemd, bunte Hosenträger – frisch den Kleidungsschränken von Larry King entliehen. Da steht er hinter Pult und kann eine knapp einstündige Rede vom Papier ablesen ohne dass sie wie abgelesen klingt. Kaum ein Haspler, keine Ähhhhs, weitausschweifende Bewegungen.
Sein Thema war “The stories they don’t want you to tell“. Es war letztendlich eine Art Tour d’horizon über “seine” Themen. Die Vergangenheit von IOC-Präsident Samaranch im Spanien zur Zeit des faschistischen Franco-Regimes. Die Kommerzialisierung des IOCs, die amoralischen Großsponsoren des IOCs bis hin zu General Motors General Electric (Mutterkonzern von NBC) der die triebwerke der Kampfflugzeuge herstellt, die derzeit in Irak und Afghanistan Menschen töten – wie ist das mit den olympischen Idealen zu vereinen? Die Großsponsoren Coca-Cola und McDonalds, die ganz wider der olympischen Idee, weltweit für Fettleibigkeit sorgen und ein IOC-Chef Rogge, der sich nicht zu schade ist und 2006 die Angaben der Lebensmittelstoffe auf McDonalfs-Packungen in Turin als Sieg des IOCs feiert. Und dann natürlich sein Liebling die Krake FIFA mit Blatter und seiner Mischpoke.
Jennings streute zum Ende seines Vortrages verstärkt die positiven Auswirkungen des Internets ein, die die Publizierung von Materialien an den Massenmedien vorbei es ermöglichen würde. Und er machte den Kollegen Hoffnung dass man auch als investigativer Journalist auf dem Markt überleben kann: er würde es seit über 30 Jahren.
Nach dem Jennings-Auftritt gab es ein kleines Büffett und nach einer halben Stunde ging es in vier Workshops. Ich bin zum Thema “Themenschwerpunkte in der Sportberichterstattung von Printmedien – Ergebnisse einer internationalen Studie“, u.a. von der Deutschen Sporthochschule Köln mit Dr. Thomas Horky.
Ausgewertet wurden Zeitungen aus diversen Ländern (ich glaube 10) über insgesamt 14 Tage binnen drei Monate im Jahr 2005. Die Artikel in den Sportteilen von ausgesuchten Tageszeitungen (Deutschland: FAZ, SZ, Bild, Hamburger Abendblatt, WAZ, HAZ) wurden anhand von bestimmten Kategorien erfasst.
Am Ende kam für mich nur eine wesentliche Zahl heraus: Fußball dominiert die Sportberichterstattung. Auch wenn es in den Ländern wie den USA oder Australien enorme Differenzen gab, bewegte sich Deutschland im “Weltdurchschnitt”: Knapp 50% Fußball in den Zeitungsartikel. auf den Plätzen zwei bis fünf folgten mit jeweils 5-6% fast ex aequo Radsport, Formel 1, Handball und noch irgendwas. Nicht ganz so einseitig waren die Zahlen in den USA (Baseball war mit 40% Spitzenreiter) und Australien (wo Australian Football mit 40%) dominierte. Die Sportarten auf den Plätzen dahinter hatten durchaus respektable Werte.
Sehr viel mehr als ein Indiz kann aber die Untersuchung nicht sein, denn sie ist an zuvielen Stellen mit Problemen behaftet gewesen. Das fängt mit dem Erhebungszeitraum an, der natürlich Wintersportarten oder American Football benachteiligte. Darüberhinaus wurde die Untersuchung von verschiedenen Instituten in verschiedenen Ländern erstellt. Ein grundsätzliches Problem war das Erstellen eines gemeinsamen Kataloges von ausschlaggebenden Wertungsfaktoren, die auch gleich interpretiert werden sollten.
Hört sich einfach an, fängt aber schon an problematisch zu werden, wenn die Zahl der Quellen gezählt werden soll, auf die Artikel basieren. Ganz furchtbar wurde es dann beim Begriff “Problembehandlung”. Ein Aspekt der untersucht wurde, war die Zahl der Zeitungsartikel die argumentativ sich mit Probleme auseinandersetzen. Die Zahlen solcher “Problemartikel” war in Deutschland bei der SZ und bei der BILD sehr hoch, was natürlich korrekterweise daraufhindeutet, dass es unterschiedliche Qualitäten von Problemen gibt. Das wissen wir aber nur per gesunden Menschenverstand und nicht per nachvollziehbare Zahl. Und so ging es für eine Reihe von anderen untersuchten Faktoren, die die Untersuchung doch zu großen Teilen willkürlich erschienen ließ.
Ach ja, einen Haufen von interssanten Zahlen gab es dann doch noch. Die der Frauen in der Sportjournalistik bzw. des Frauensports. In den Sport-Redaktionen liegt der Schnitt an weiblichen Journalisten so bei 5-7%. Der beim Fußball ist signifikant darunter – insbesondere in Deutschland (2% wenn ich es mir richtig gemerkt habe). Ähnliches gilt für “weibliche Sportarten”, also Sportarten mit Frauen als Handlungsträger, die irgendwo bei 10-15% herumschwirren. Ausnahme Norwegen: vielleicht dank des rigiden Gleichstellungsgesetz macht der “Frauensport” immerhin ein Fünftel des Sportteils aus.
Die anschließende Diskussion lief vorhersehbar: Journalisten müssen Themen besetzen, damit der Sportteil breiter aufgestellt wird. Gleichzeitig gibt es Kosten- und Zeitdruck (die Ausgabe der Süddeutsche die in Hamburg am nächsten Morgen erscheint, hat einen redaktionsschluß von 17h, was bedeutet, dass man an Champions League-Spieltagen den Sportteil eigentlich in die Tonne kloppen kann). Die Diskussion wäre vermutlich kein Jota andersgelaufen wenn das vor einer Reihe von Fernsehjournalisten stattgefunden hätte.
Die Veranstaltungen erinnern teilweise an “Preaching to the choir“.
So mal sehen ob ich mich noch in irgendwelche Veranstaltungen einklemme oder dem Ruf des Sandmanns folge.
Die letzte Session
Es ist inzwischen 19h und ich bin im Hotel und ohne WLAN. Das heißt ich Sitze hier mit dem Hände und gebe den Text im Browser ein, was zu den eher freudlosen Dingen gehört. Daher nur kurz zur letzten Session die ich gesehen habe: Freddie Röckenhaus.
Es war eine offene Fragerunde und wurde für mich zu der faszinierendsten Dreiviertelstunde des Tages.
Röckenhaus saß völlig schlaff im Stuhl, eingefallene Gesichtszüge, Haare wie Beethoven in der Endphase. Es kamen die Fragen und Röckenhaus wurde immer lebendiger und lässiger. Die Fragen drehten sich nahezu ausschließlich um die Borussia Dortmund-Geschichte, als er gemeinsam mit KICKERs Thomas Hennicke den Finanzskandal aufdeckte. Auch wenn die Geschichte grosso modo bekannt ist, war es faszinierend zuzuhören mit welcher Präzision, aber auch Verstandlichkeit Röckenhaus noch Jahre später das Niebaum-Konstrukt auseinandernehmen kann. Röckenhaus erzählte auch wie die Recherchen von sich gingen. 3 Jahre Arbeit, 90% Sackgassen oder Arbeit für den Papierkorb. Es gab keinen Maulwurf beim BVB, sondern knapp 80 Quellen sind da eingeflossen.
Das Fazit von Röckenhaus fiel nicht positiv aus. Beim BVB fragt er sich wohin das Massive Involvement von Morgan-Stanley führen soll. Auffällig wären zudem bei anderen Bundesligisten finanzielle Konstrukte bei denen der BVB als Blaupause diente.
Am Rande der Diskussion wurde bekannt dass die Klagewelle gegen die ARD in Sachen Wiener Blutlabor ausgeblieben ist. Weder Radfahrer Totschnigg noch Team Rabobank haben bislang geklagt. Geblieben ist nur eine Einstweillige Verfügung des DSVs gegen sie ARD. Es ist das schwächste juristische Mittel und dient im Grunde genommen nur dem Posing.