JOL = HSV – ZAK
Seit gestern sickerten die Kompany-Gerüchte derart durch, als ob er ein Preisschild auf der Stirn tragen würde. Heute nachmittag wurde Vollzug gemeldet. Vincent Kompany wechselt für 4 Jahre vom Hamburger SV zu Manchester City. Der Kaufpreis soll laut einem derzeit im zehn Minuten-Takt editierten KICKER-Bericht 8,5 Millionen Euro betragen, aus England hört man 7,5 Mio. Wow. Dusel gehabt dass der englische Hochpreismarkt an Kompany interessiert war.
Für Kompany brechen nun Zeiten mit Fragezeichen an. Derzeit weiß keiner so recht bei Manchester City wo die Reise hingehen soll. Der Besitzer Thaksin Sinawatra war Ministerpräsident in Thailand, der vom Militär wegen Bestechungsvorwürfe weggeputscht wurde, zwischenzeitlich im Exil war, zurückkehrte und nach neuerlichen Bestechungsvorwürfen wieder in England im Exil ist. Shinawatra ist derzeit de jure auf der Flucht und es dürfte nur eine Frage der Zeit sein, wann die ersten Auslieferungsersuchen der thailändischen Regierung in Großbritannien aufschlagen.
Kollateralschaden dieser politischen Geschichte: 1 Milliarde EUR von Shinawatras Vermögen sind in Thailand festgefroren und Shinawatra ist damit ohne finanzielle Ressourcen. Er muss sich derzeit Geld leihen um Manchester City am Leben zu erhalten. Angeblich soll es bereits verzögerte Gehaltszahlungen gegeben haben. Vor diesem Hintergrund dürfte Manchester City derzeit nicht der Wunschklub sehr vieler Spieler sein.
Dazu kommen sportliche Unsicherheiten. Der Nachfolger von Sven-Göran Eriksson Mark Hughes ist neben Paul Ince derzeit die ganz große Trainer-Hoffnung. Nach Blackburn hat er nun erstmals bei einem großen Klub angeheuert. Die ersten Wochen sehen aber nicht gut aus. In der zweiten Qualifikationsrunde des UEFAcups fing man sich im Hinspiel eine 0:1-Heimniederlage gegen einen dänischen Vertreter ein. Am ersten Spieltag der Premier League gab es ein 2:4 bei Aston Villa. Grundtenor: die Abwehr taugt nix. Die Arbeitsplatzsicherheit oder der Überlebenswille von Hughes konnte angesichts der Rahmenbedingungen sehr gering sein. Und in diese Gemengenlage kommt nun Vincent Kompany rein…
Die andere Seite
Der HSV wird damit binnen einer Woche zwei seiner drei Sorgenkinder Z-A-K los.
K wie Vincent Kompany
Ich kann mich noch erinnern als er 2006 beim HSV aufschlug, Ersatz für Van Buyten, und schon im Ligapokal eine unglaubliche Präsenz ausstrahlte. Für 10 Millionen EUR aus Anderlecht gekommen (Anderlecht soll nochmal 15% der 8 Mio von ManCity kassieren), sah es nah einem Glücksgriff aus. Exzellentes Stellungsspiel, spielerisch stark, gab der Abwehr eine neue Qualität im Spielaufbau. Doch dann machte die Achillessehne Ärger und Kompany fiel ab November 2006 für den Rest der Saison aus.
Der HSV war damals sehr schmerzfrei was charakterliche und körperliche Defizite bei Spielern anging (z.B. verletzungsanfällige Spieler), konnte man doch damit günstig einige Schnäppchen schießen, bei Vereinen die händeringend die Atoubas, Van Buytens oder Boulahrouz loswerden wollten. Wolln se nicht noch ein bißchen “Streifenhörnchen” Ljuboja ausprobieren?
Von Kompany hieß es, dass er in Anderlecht nicht mehr wohlgelitten war. Warum das so war, davon war dank Verletzung und einiger Platzverweise anfangs nicht zu bemerken. Im Laufe von 2007 sollte sich das ändern.
Nachdem Bastian Reinhardt an der Seite von Mathijsen zu aller Überraschung eine konstant exzellente Saison als Innenverteidiger spielte, wäre es schade gewesen den spielerisch so starken Kompany als Innenverteidiger in spe auf der Bank versauern zu lassen. Folgerichtig versuchte Huub Stevens ihn als defensiven Mittelfeldspieler zu platzieren. Eigentlich eine Position die wie auf seinen Leib geschnitten sein sollte: Stellungsspiel, Autorität, technisch exzellent für den Spielaufbau.
Aber irgendwie haute das überhaupt nicht hin. Präsenz von Kompany war null, nicht zuletzt weil ihm die Bulldoggen-Mentalität z.B. eines De Jongs abging. Er verstand es auch nicht Körpereinsatz zu dosieren. In 22 Spielen der Saison gab es zwei Platzverweise. Unterm Strich stellte Huub Stevens fest, das Kompany verzichtbar war: Wenn er nicht gerade gesperrt oder verletzt war (immer wieder kleine Zipperlein), spielte er bis zum 22ten Spieltag immer 90 Minuten durch. In den verbleibenden 13 Spielen spielte er aber nur noch zweimal voll durch. Dreimal ausgewechselt (ja, auch wegen Verletzungen), dreimal eingewechselt, einmal gesperrt, viermal nicht in der Startaufstellung. Bei Kompany wuchs der Unmut. Das ganze gipfelte in Kritik von Kompany an Stevens und anschließend in Zoff mit Mannschaftskollegen. Kompany wurde Mitte April von Stevens kurz suspendiert. Zudem starb ein naher Angehöriger Kompanys, was die Situation für die Beteiligten diffiziler machte.
Die Kritik von Kompany an Stevens soll sehr massiv, Kompany anschließend in der Mannschaft isoliert gewesen sein. Wenn man sich die Spielerabgänge in diesem Sommer ansieht, dann wollte der HSV seine Problemfälle loswerden. Spätestens im April muss beim HSV die Erkenntnis gereift sein, dass Kompany mit seinem Charakter eine tickende Zeitbombe ist. Ich glaube nicht dass die Olympia-Geschichte ausschlaggebend war. Zuträglich war seine verzögerte Rückkehr und seine Kritik am HSV nach der Rückkehr sicher nicht.
Z wie Zidan
Ich hab Zidan gemocht. Die Probleme die Zidan in Hamburg hatte, werden häufig auf das Psychologische verkürzt: Zidan hätte Kloppeske Vaterliebe gebraucht, statt einen distanzierten Harten Hund wie Stevens.
Da ist was dran. Das konnte man beim Afrika-Cup sehen, als Zidan befreit aufspielte und angenehme Partie zeigte.
Aber es ist nur die halbe Wahrheit und in diesem Fall ist es die andere Hälfte, die ihn in Hamburg das Genick gebrochen hat. Die Kritik die Stevens an Zidan hatte, wurde in der zweiten Hälfte der letzten Saison substantieller: Zidan wäre ein Instinktfußballer, der von taktischen Verhalten soviel Ahnung hat wie eine Scheibe Toastbrot. Konkret ging es dabei um Laufwege in Abstimmung mit seinen Kollegen – Zidan pflegte in Ignoranz seiner Kameraden, sein Ding zu machen – und um die Arbeit nach hinten: dem frühen Dichtmachen von Gegenangriffen die über den linken Hamburger Flügel kommen.
Je öfter Zidan in der Saison spielte, desto mehr wurde seine Schwächen freigelegt und desto offener Zidan dafür kritisiert. Dann gab es das üble Nachtreten von Zidan gegen Stevens im Sommer, als der eh isolierte Zidan in der Saisonpause den ehemaligen Trainer in einem Interview scharf angriff.
Nun kann es ja durchaus passieren, dass man als Spieler mit einem Trainer nicht klar kommt. Dann kommt der nächste Trainer und es macht Klick.
Beim Emirates-Turnier wurde es für alle Beteiligten klar, das Zidan abgegeben wird (was ich in Screensport vor dem Bayern-Spiel auch schrub). Zidan machte auch Wochen nach der Inthronisierung von Martin Jol die exakt gleichen Fehler. Wieder und wieder. Binnen zwei Tagen in zwei Spielen wieder und wieder und wieder. Immer wieder ließ er den Gegenangriff zu, lief bis auf Strafraumhöhe mit ohne den Ballträger zu attackieren und ließ die Flanke zu, die in einem Fall auch zu einem Gegentor von Real führte. Es war eine Ansage von Jol, das Zidan im DFB-Pokal erst in der 85ten Minute eingewechselt wurde und im Bayern-Spiel gar nicht.
Ich mag Zidan. Wenn er aufspielt, hat er einen irren Zug zum Tor, spielt energiegeladen, wie ein Beserker.
Aber ich weiß nicht was Jürgen Klopp mit ihm anstellt, damit die taktischen Probleme die der HSV mit ihm hatte, nicht auch beim BVB auftauchen. Bekommt Zidan hinten eine Absicherung damit er von Defensivaufgaben entlastet wird? Nachdem was ich von Zidan nun beim HSV gesehen habe, hört sich der HSV bzgl. eines Tausches Zidan-Petric erst einmal wie der Gewinner an. Aber Zidan bei Klopp, dass wird eine der spannenderen Geschichten dieser Saison.
A wie Atouba
Verfolgt der HSV seine Linie konsequent weiter, ist Atouba der nächste auf der Liste, der bis Monatsende noch verkauft wird – Celtic soll angeblich interessiert sein. Wenn bei Zidan und Kompany von charakterlichen Defiziten die Rede ist, so ist der Sprung zu Atouba nicht weit, bei dem es im Sechs-Monats-Abstand immer wieder Sperenzien mit Abwanderungswünschen, verlängerten Urlaub und dem Auskurieren von Verletzungen gibt.
Ähnlich wie Kompany fehlt auch Atouba häufig wegen kleinerer muskuläre Verletzungen und zwingt dem Trainer gerade bei so einem schmalen Kader wie dem HSV zu größeren Verschiebungen.
Spielerisch hat sich Atouba in den letzten 3 Jahren nicht weiterentwickelt. Seine Tricks sehen nett aus, aber sein Defensivverhalten ist bestenfalls als grobmotorisch zu bezeichnen. In der Offensive wechseln sich lichte Momente mit ganz schlimmen ab. Mich würde eine Statistik interessieren, wieviele Gegentore aus Ballverlusten von Atouba resultierten.
Es gibt derzeit nur einen Grund Atouba zu halten: der inzwischen durch den Kompany-Verkauf und Verletzungen arg reduzierte Kader.
Causa Beiersdorfer
Dietmar Beiersdorfer hat die Infrastruktur des HSVs auf ein völlig neues Niveau gestellt. Interessant an den obigen Abgängen sind die Probleme die mit den Spielern verbunden gewesen sind und von denen man meinen sollte, dass sie beim Scouting auffallen:
– Problemcharaktere
– Taktische Defizite/Mangelndes Spielverständnis von Zidan
Ich glaube immer noch das Dietmar Beiersdorfer unterm Strich einen exzellenten Job macht. Allerdings scheinen die obigen drei Spieler auch die Limits des Scoutings aufzuzeigen. Egal wieviele Datenbanken und Scouts dahinterstecken.