Am dritten Spieltag der NFL Europe kam es endlich zur Heimpremiere der Hamburg Sea Devils. Ein geschickter Schachzug. Während die Devils-Fans ins Stadion strömten, kamen die Handball-Fans einem aus der benachbarten Color-Line-Arena entgegen, das zweite Halbfinale der Final Four war gerade zu Ende. Die Sea Devils boten für die Color-Line-Arena-Besucher Eintrittkarten für nur 5 Euro an. Ich hatte allerdings nicht den Eindruck das viele Zebra- oder Frischauf-Anhänger in die AOL-Arena fanden.
19.800 Besucher kamen in die Arena. Das ist eine gute, aber keine überraschende Zahl. Ich hatte angesichts des sommerlichen Wetters (20 Grad, Sonne) sogar mit mehr als 20.000 Zuschauern gerechnet. Aber zumindest ist der Besucherrekord für eine neue Franchise nun in hamburgische Hand. Es hätte nicht viel gefehlt und man hätte im Alleingang soviele Zuschauer begrüßen können, wie heute in Berlin Amsterdam und Köln zusammen (10.100 und 10.800).
Für mich war es die Rückkehr aus einer Football-Abstinenz nach knapp 5-6 Jahren. Ich hatte damals die Schnauze von den hohen Eintrittpreisen bei den Blue Devils einerseits und andererseits vom sich immer wiederholenden Programm (7x “We will rock you”, 12 x “Who the fuck ist Alice” etc…).
So gesehen war ich angenehm überrascht. Sieht man einmal von der “Halbzeitshow” ab, die von einem Aerobic-Kurs eines Sponsors (Fitneß-Studios) abgehalten wurde, war alles frischer und professioneller als seinerzeit bei den Blue Devils.
Der Stadionsprecher war okay, lieferte nicht zuviele Erklärungen für Laien, denn die konnten Regelerklärungen der Videoleinwand entnehmen. Nur das Anheizen des Publikums bei 3rd Downs des Gegners finde ich schäbig. Entweder das Publikum rafft es von alleine oder man hat es nicht besser verdient…
Es gab noch mehr Bereich in denen man sich von den Blue Devils unterschied. Leider.
Das Publikum war überraschend lau. Nehme ich die Reaktionen bei First Downs und guten Defense-Aktionen als Meßlatte, ist das Publikum erstaunlich unkundig gewesen. Da gab es selbst bei halber Zuschauerzahl im altehrwürdigen Volksparkstadion mehr Lärm als heute in der AOL-Arena. Es gab so gut wie keine Anfeuerungsrufe für die Devils, obwohl man noch Sprüche aus “Blue Devils”-Zeiten hätte zurückgreifen können. Die Silbenzahl hat sich ja nicht geändert.
Wer sich übrigens fragt, wie das geht, mit den
Fernsehauszeiten und den Referees…
In der NFLE steht an der 20yd-Linie ein Männlein
mit schwarzen Pullover und orangen Ärmeln,
dass dem Referee bei Auszeiten signalisiert,
wann der Sender wieder “on air” ist
Zu meinen Bedauern haben die Sea Devils nicht viel mit der Cheerleading-Tradition der Blue Devils am Hut . So ein Mixed-Team wie zu besten Devil-Zeiten, ist ein Kracher nach dem sich jedes Team die Finger lecken würde. Stattdessen gab es einige Hupfdohlen, die noch keine Pyramiden konnten und auch zahlenmäßig den Rhein Fire-Pyromaniacs unterlegen waren.
Da hat man leider einiges Potential aus der Zusammenarbeit mit den Blue Devils verschenkt.
Das Spiel
Was macht man, wenn man mit einem völlig neuen Team konfrontiert ist? Man pickt sich 1-2 bekannte Spieler heraus und konzentriert sich erst mal auf sie. In meinem Fall war es #23 FS Eric Crouch, jener kleiner QB den ich vor ein paar Jahren als QB bei Nebraska gesehen habe. Ihn als FS zu sehen, läßt einen das Herz bluten. Dieser Typus des QB/RB prägte lange Jahre bei den Blue Devils das Bild des Angriffsspiels (Stichwort: Dino Bucchiol). Nun, die NFL hielt Crouch für zu klein und Crouch versucht sich nun als FS. In der Partie hinterließ er keinen großen Eindruck, hatte nur eine etwas spektakulärere Aktion.

Unterdessen zeichneten sich schnell die Schlüsselspieler in den Offenses und Defenses beider Mannschaften ab. Und das waren erstaunlicherweise nicht viel. Die Mannschaften liessen sich auf 1-2 RBs, 1 WR und 2 QBs reduzieren. Man merkt an allen Ecken und Kanten, dass die NFLE eine Sparliga ist. Der Kader ist nicht sehr tief, die Vorbereitungszeiten sehr gering. In Folge gab es nur wenig Formationen, mitunter viele Flüchtigkeitsfehler (Zillionen von Encroachments bei Rhein Fire), viele Fehlpässe. Erschwerend kommt hinzu das Sea-Devils-Headcoach Jack Bicknell ein extrem konserativer Headcoach ist, für den “safety first” gilt und der kaum ein Risiko geht. Direkter formuliert: er läßt langweilig spielen.
Aus Sicht eines Zuschauers ist eine hochklassige Bundesliga-Begegnung spektakulärer, da hier ein wesentlich bunterer Strauß an Spielzügen zu sehen ist und mehr Trickspielzüge eingesetzt werden. Das war eine etwas ernüchternde Erkenntnis an dem Abend.
Zum Spielverlauf: die Hamburger legten los, als gäbe es kein Morgen mehr: 10:0, 21:0 lauteten die Resultat der ersten zwei Viertel zum Halbzeitstand von 31:0. Bicknell setzte im Lauf vorallem auf den bislang enttäuschenden #24 RB Larry Croom, dem es aber nicht wirklich gelang ganz fette Raumgewinne zu erzielen. Die kamen eher über den Schotten #87 WR Scott McCready und #85 TE Bobby Blizzard (wenn es den Namen nicht gäbe, müsste man ihn erfinden). Von den beiden QBs machte #5 QB Casey Bramlet klar den besseren Eindruck. Irgendwie stand bei ihm die Offenseline auch besser, bekam nicht viel Passrush.
Bei den Düsseldorfern ging nach vorne nicht viel zusammen.
Das änderte sich mit der zweiten Halbzeit in der Rhein Fire 24 Punkte erzielte und bis auf einen TD an Hamburg rankam. Auslöser war #7 QB Scott McBrien, dessen Würfe viel mehr Zug hatten. Was für ein Wurfarm. Insbesondere wenn er die Würfe als pfeilschnelle Flachpässe abfeuerte, kam die Devils-Secondary in böse Kalamitäten. In der Manndeckung hatte sie keine Chance gegen die Fire-Receivers, obwohl das Fire-Spiel durchaus simpel gestrickt war: Pässe wurde auf irgendwelchen Post-artigen Pattern gespielt, meistens auf der vom TE abgewandten Seite, also der weak side. Kaum Comebacks oder Cross-Patterns.
Die Aufholjagd von Rhein Fire verreckte 5 Minuten vor Ende. Den Hamburgern gelang es Rhein Fire nur noch 20 Sekunden auf der Uhr zu lassen, nicht zuletzt weil Rhein Fire mit zwei Encroachment-Strafen (Rhein Fire an dem Abend mit 14 Strafen insgesamt!) den Drive der Hamburger am Leben ließen.
Hamburg nun 1-2 und Rhein Fire gar 0-3.
Die Sea Devils überraschten mich mit einer besseren Veranstaltungsorganisation als gedacht. Das Drumherum, sprich die Fans, wird sich im Laufe der Zeit hoffentlich besser einspielen. Richtig enttäuschend ist aber die Spielqualität. Die Spiele sind in Natura wirklich so schwach wie sie im Fernsehen wirken. Natürlich haben die Jungs mehr auf den Kasten als Bundesliga-Spieler. Aber was nützt es, wenn die Mannschaften nicht eingespielt sind, das A & O im American Football. Daran gemessen, sind die 20-25 EUR die man für gute Plätze ausgeben muss, nicht jedermanns Sache.