ARENA gibt Lebenszeichen
ARENA lebt. Der “Chef” (Geschäftsführer?) der “Arena Sport Rechte und Marketing GmbH” Bernard “Fußball soll für Alle sein” de Roos hat der WELT ein Interview gegeben, das wieder ein bißchen mehr Kaffeesatz zum Lesen gibt.
Also schieben wir mal das Interview durch das Röntgengerät. Schwester, bitte…
Die Erwartungen
– De Roos sieht ein Marktpotential von 6 bis 10 Millionen Kunden.
– Bereits mit “deutlich” weniger als 6 Mio Kunden würde man schwarze Zahlen schreiben
– Nach den drei Jahren des Vertrages rechnet man mit 6 Mio Abonnenten (“absolute Untergrenze“)
Hmmm. Die Zahlen überraschen. Zum Vergleich: PREMIERE hat Ende September 3,4 Mio Abonnenten bei einem Wachstum von zirka 400.000 in diesem Jahr. Kabel Deutschland hat 300.000 Kunden bei einem Wachstum von 200.000 in diesem Jahr und iesy/ish haben 101.000 Kunden.
Nun kann ist es für die Kabelgesellschafter leichter die PREMIERE-Kunden abzuwerben, da diese bereits eine Set-Top-Box im Haus haben, aber bis zu den sechs Millionen ist es noch lange hin. Der Weg den die Kabelgesellschaften anscheinend gehen wollen, ist Preisdumping. Das liegt auf der Hand, wenn man sieht, dass die Kabelgesellschaft ab “deutlich” weniger als 6 Mio Abos schwarze Zahlen schreibt, während das exklusive/teure PREMIERE für schwarze Zahlen “nur” 3,5 bis 4 Mio Abos brauchte.
Die Kabelgesellschaften werden auf jedenfall ziemlich wirbeln müssen, um 6 Mio Abos zu erreichen.
Im Hinterkopf sollte man behalten, dass die Kabelgesellschaft alle ausnahmslos Private Equity-Firmen gehören, also Firmen die Fonds für Anleger herausgeben und Renditen von 25% bis 150% erwarten.
Das heißt einerseits: Geld zum Investieren ist da. Zum anderen ist aber die Lust von Private Equity-Firmen für langfristige Investitionen nur sehr begrenzt. Irgendwann, meistens nach 3,4 Jahren, werden die Beteiligungen verkauft.
Das Angebot
– Es wird nicht nur ein Bundesliga-Pauschalangebot geben, sondern eine Vielzahl von Paketen (“Bausteine“): nur Bundesliga, nur zweite Liga, “Follow your Team” mit Spielen nur eines Teams oder “all inclusive”. De Roos kündigt viele Experimente mit den Paketen an und rechnet dass es nach einer Zeit sich auf weniger als zehn verschiedene Pakete einpendeln wird. Ach, “nur” zehn Stück?!
– “Das Angebot soll höchstens 20 Euro kosten“. Herr De Roos, wir reden von “all inclusive”, also Bundesliga, zweite Liga, alle Spiele und alle Tore, gell?
– Kabel und Satellit werden gleichberechtigt behandelt.
– Es ist zwar immer noch nicht explizit gesagt worden, aber aus den Formulierungen des Herrn De Roos lese ich heraus, dass ab der nächsten Saison auch alle Zweitliga-Spiele einzelnd gezeigt werden.
– Es soll mehr Live-Spiele im Free-TV geben: “Wenn Fußball dort interessant dargeboten wird, kann das auch für uns gut sein, denn Fußball wird in Deutschland im Ganzen attraktiver.“. “Verpflichtende” Angebote von Free-TV-Sender sollen ARENA vorliegen. Von “großen” Free-TV-Sendern, vulgo: ARD, ZDF, RTL, SAT.1, PRO7.
– Minimum eine HDTV-Übertragung pro Spieltag
– Statistik-Kanal
– Der Name des Bundesliga-Angebotes wird nicht “Arena” sein. Markennamen wurden reserviert und werden zum gegebenen Zeitpunkt kommuniziert.
Siehe oben: ich glaube ARENA wird den Weg via Preisdumping gehen. Die “Bundeliga à la carte”-Taktik könnte es ARENA ermöglichen z.B. billige 5 EUR/Monat-Pakete zu schnüren und so Kunden zu generieren. Wichtig ist es für die Kabelgesellschaften zuerst einen Fuß in die Wohnung des Kunden zu bekommen und dort eine Set-Top-Box zu platzieren. Und dann darauf zu hoffen, das irgendwann der Appetit kommt, um von den teuren Pay-TV-Speisen zu kosten.
Gerüchteweise soll auch PREMIERE eine ähnliche Idee gehabt und ein 10 EUR-Abo geplant haben. Mit diesem 10 EUR-Abo hätte man zumindest “Alle Spiele, alle Tore” als Sportschau-Ersatz sehen sollen (dafür gab es ja auch mal ursprünglich PREMIERE START für 5 EUR). Hat die DFL anscheinend nicht überzeugt.
Die Technik
– Set-Top-Box und SmartCard können weitergenutzt werden. Alleine Satellitennutzer müssen ihre SmartCard an “ihren Satellitenbetreiber” schicken und “freischalten” lassen.
– Auch die dBox1 wird benutzt werden können.
– Keine neuen Angaben mit welchen Betreibern kooperiert wird, wie z.B. die angestrebte Satellitenplattform aussieht.
Lese ich da zwischen den Zeilen einen mehr als deutlichen Hinweis aus eine Kooperation mit der ASTRA-Tochter APS?
Spekuliert wurde immer wieder auch über easy.tv als Plattform. Wenn es noch so etwas wie Animositäten im Geschäftsleben gibt, scheidet eine Kooperation mit easy.tv aus. Der Hauptanleger bei UnityMedia, die Apollo Management LP, war auch Teilhaber bei der easy.tv-Mutter PrimaCom AG. Es hat dort anderthalb Jahre lang Zoff gegegen. Später mehr.
Die Infrastruktur
– ARENA will nur 20 feste Mitarbeiter anstellen und an Spieltagen mit zirka 160, 170 weiteren, freien Mitarbeitern arbeiten. Daher hat man sich als Redaktionsstandort für München entschieden, da es hier bereits entsprechende Infrastrukturen gibt.
Rechtliches
Null konkrete Aussagen, außer 200 Gramm Optimismus.
Wir werden ein erstklassiges Sportprogramm inkl. Vor- und Nachberichterstattung zu den Spielen, Interviews, Studiogästen etc. zur Verfügung stellen. Um diese hohen Ansprüche zu erfüllen, wird unser Team aus den Besten aus Produktion und Redaktion bestehen.
So steht es im FAQ auf der kurz vor Weihnachten noch fix erweiterten Website von ARENA, garniert mit einer Schrifttype die irgendwo zwischen PREMIERE und dem RBB liegt.
Man beachte den Ausdruck “zur Verfügung stellen“, der impliziert, dass man keinen Sender, sondern nur Programme erstellt, die dann z.B. auf einem hypothetischen “Kabel Deutschland Sportschannel”, “ish Sport Live” oder auch “PREMIERE Sport Portal” laufen könnte. Die Formulierungen legen auch nahe, dass man sich vorerst wirklich auf die Bundesliga bzw. Zweite Liga konzentriert, was ja auch auf der Pressekonferenz letzte Woche angedeutet wurde.
So ein Programm, dass von verschiedenen Sender übernommen würde, wäre so etwas wie der Einzug eines “DFL Ligasenders” durch die kalte Küche. Identische Verpackung und redaktionelle Inhalte quer durch diverse (Pay-TV-)Sender und nicht nur das gleiche Screendesign.
Eine neue Variante im Bundesliga-Poker, dass aber vermutlich immer noch nicht um das Problem drumherum führt, dass “Kabel Deutschland Sportschannel” oder “ish Sport Live” Programme von Plattformbetreiber wären und somit potentiell im Fadenkreuz des Kartellamts, der KEK und der Medienanstalten wäre.
Vielleicht umgeht man das Problem, in dem man das Programm einer dritten Seite zur Ausstrahlung zur Verfügung stellt. Wer wäre so ein Kooperationspartner, der möglicherweise sogar eine Pay-TV-Plattform in Petto hätte?
Beispielsweise das DSF, dass mit “DSF Digital” eine völlig brachliegende Plattform hat, dass von den hiesigen Medienanstalten bereits 2004 eine acht Jahre währende Sendelizenz bekommen hat, aber derzeit nach einigen Testläufen, nicht mehr sendet. Was vielleicht auch den sehr lauten Jubel von EM.TV erklären könnte, denn ich mir so richtig nicht nur mit den Bundesliga-Sonntagsspielen und dem exklusiven Zweitliga-Montagsspiel erklären kann.
Ebenfalls digitale Kabelkanäle in der Mache haben die Sendergruppen rund um RTL und ProSiebenSat.1. Während ich nicht glaube, das bei ProSiebenSat.1 aufgrund der derzeit ungewissen Besitzverhältnissen viel geht, ist RTL in den letzten Tagen überraschend schnell handelseinig mit den Kabelgesellschaften bezüglich einer digitalen Einspeisung seiner normalen Programme geworden. Ist da wohlmöglich noch ein anderer Deal, eine Art “RTL Kick” in der Mache?
Die Macher
Bernard de Roos gilt als “Chef” der “Arena Sport Rechte und Marketing GmbH”. Tatsächlich habe ich aber nirgends eine offizielle Bezeichnung für seine Position gefunden. Geschäftsführer bei ARENA ist nämlich der CEO von Unity Media Parm Sandhu.
De Roos ist zwar in der Öffentlichkeit ein Unbekannter, aber seit mehr als einem Jahrzehnt in der Fußballszenerie zu Gange.
In Luzern arbeiete er im Dunstkreis der UEFA, u.a. als Ko-Geschäftsführer für die TEAM Marketing AG, als diese für die UEFA das Konzept der Champions League entwarf.
Er war danach jahrelang beim Sportrechtevermarkter ISL tätig.
In Luzern hat er 1999 gemeinsam mit Herbert Kloiber eine Marketingagentur aufgemacht: “AIM International AG”. Beiden gehörten jeweils 50% an der Agentur. Diese arbeitet mit Schwerpunkten Sportrechte und versucht Sponsoren, Sportrechte und Rundfunkanstalten zusammenzubringen.
Konkret sollte AIM Sportrechte für den ebenfalls 1999 beantragten Kloiber-Fernsehsender TM3 besorgen. Ein erster Versuch die Rechte von der EM 2004 zu erwerben ging schief, ebenso biß man sich zweimal beim Bietverfahren um Bundesligarechte die Zähne an Kirch aus. Erfolgreich war man hingegen beim überraschenden Erwerb der Champions League-Rechte (Free-TV und Pay-TV) für den Sommer 2000 bis Sommer 2004. Binnen sechs Monate stampfte TM3 mit PREMIERE-Abtrünnigen wie Sportchef Michael Pfad eine Redaktion und Übertragungskapazitäten aus dem Boden. Doch Rupert Murdoch machte seinen Frieden mit PREMIERE, ließ TM3 schnell fallen und der Rest ist Geschichte. Michael Pfad ging mit seinem Kumpel Tom Bender zum DFB und anschließend zur DFL. Pfad machte sich dann selbständig und gründete die Produktionsgesellschaft “FairPlay Productions” die für die DFL die Produktion der Bundesligabilder aus den Stadien übernimmt (Nein, das macht nicht PREMIERE!)
Nach der Aufgabe von TM3 verkaufte Herbert Kloiber irgendwann seine Anteile an “AIM International”, welches nun voll im Besitz von De Roos sein soll. De Roos und AIM arbeiteten für viele Sender, z.B. für die schweizerische Kabelgesellschaft Cablecom, deren Besitzer Liberty Media und die Apollo Management LP waren. Jene Apollo Management LP die inzwischen Mehrheitsbesitzer bei UnityMedia ist. So schließt sich der Kreis.
Diese Geschichten sollen aufzeigen, was für ein enges Beziehungsgeflecht in der Szene herrscht und ein De Roos nicht wie ein Außerirdischer plötzlich in die hiesige Landschaft gebeamt wurde.
Die Kabelnetzgesellschaften in Deutschland befinden sich allesamt in den Händen von “Private Equity”-Firmen.
Bei Kabel Deutschland sitzen zu jeweils knapp einem Drittel Apax, Goldman Sachs und die Providence Equity im Boot. Nach einer vor kurzem erschienenen Meldung der w+v wird die Providence Equity im ersten Quartal die anderen beiden Hauptgesellschafter aus dem Laden kaufen und dann 95% der Anteile besitzen. Die Providence Equity ist auch Teilhaber bei Pro7Sat.1 und dem US-Ableger von T-Mobile “VoiceStream”.
Die Unity Media GmbH wurde nach dem Kauf von ish (Kabelnetz NRW) durch iesy (Kabelnetz Hessen) gegründet. Waren früher an iesy auch Pequot Capital und Golden Tree beteiligt, spielen dort nach dem weiteren Aufkauf von TeleColumbus nur noch zwei Teilhaber eine Rolle: Apollo Management LP (31%) und BC Partners (39% über ihre Tochter FinaKabel). 7% gehen an Golden Tree Asset, die gemeinhin als “Strohmänner” gelten und bereits bei PrimaCom zusammen mit Apollo zu Gange waren.
Die Apollo Management LP geniesst keinen wirklich guten Ruf in Deutschland. Sie hatte ihre Finger im kleinen Kabelnetz der PrimaCom AG drin. Die PrimaCom verschuldete sich, die Apollo Management vergab “vergiftete” Kredite zu 20% Zinsen, die PrimaCom verschuldete sich noch mehr und irgendwann glaubte Apollo dass die Zeit für eine Übernahme reif wäre. Die Aktionäre der PrimaCom machten aber nicht mit, blockierten den Übernahmeversuch und liessen vor Gericht feststellen, dass die Kredite der Apollo Management “sittenwidrig” waren. Es hat anderhalb Jahre gedauert, bis die gegenseitige Blockade der PrimaCom-Teilhaber aufgelöst wurde.
Die Apollo Management LP steht im Ruf ein “Firmenausnehmer” zu sein, also größere Firmenkomplexe zu kaufen um sie dann in kleinen Happen abzuspalten und zu verkaufen. Die Apollo Management LP war auch bei KabelBW drin und verkaufte diesen Herbst seine Anteile an der schweizerischen Cablecom an Liberty Global.
Der Geschäftsführer von Unity Media ist Parm Sandhu, seit 2002 bei iesy. Er kam von Liberty Media, womit eine weitere Verbindung zwischen Apollo, Unity Media und Liberty Media/Liberty Global besteht.
Der zweite Teilhaber von Unity Media, die BC Partners, waren in Hochzeiten der New Economy sehr aktiv, ohne aber auffällig geworden zu sein. Sie sind durch den Aufkauf der TeleColumbus durch Unity Media zum größten Teilhaber der Unity Media aufgestiegen.
Es liegen verdammt viele Puzzleteile herum. Es würde mich wundern, wenn die DFL das gesamte Bild kennen.
Weitere Einträge zum Thema
And the winner is… – Der Tag der Rechtevergabe (20.12.05)
ARENA-Fußball – der Abend nach dem Deal. (21.12.05)
ARENA in der Arena: PK zu den Bundesliga-Rechten – erster öffentlicher Auftritt von ARENA-Vertreter (22.12.05)
T+3: die härteren bandagen von PREMIRE – die Stimmung bei PREMIERE nach dem ARENA-Deal (24.12.05)