Tour 2007, Ruhetag: Mit Blutdopern auf Du und Du. Heute: Vinokourov
[17h55] In Ermangelung einer Tour-Etappe mal ein bißchen Liveblogging zum Doping.
Aktueller Anlaß: Alexandre Vinourov ist wegen Blutdopings am Samstag aufgeflogen. Das Team Astana hat reagiert und bevor es von aufgebrachten französischen Tourfans mit Blutbeuteln beschmissen wird, die Tour ab sofort verlassen (meldet L’Équipe.fr).
Breaking News. Ich werde im Laufe der nächsten Stunde den Blog Eintrag ergänzen. Diesmal bitte von oben nach unten lesen. Neuere Informationen werden unten ergänzt.
[18h03] Um auch mal “positive” … äh, also “negative” Nachrichten zu erwähnen:
Alessandro Petacchi ist heute vom italienischen Radsportverband freigesprochen worden. Es ging dabei um die positive Dopingkontrolle beim Giro. Das Mittel Salbutamol habe Petacchi vom Arzt verschrieben bekommen. Es ist… man kann es sich fast denken, ein Mittel gegen Asthma. Asthma wie in “Asthma, zwinker, zwinker“.
[18h08] Zurück zu Vinokourov. Ich habe gestern die Übertragung beim französischen Rundfunksender RMC gehört. Die hatten sich gestern massiv über Vinokourov echauffiert, weil dieser das Zeitfahren gewinnt, am Sonntag einen Einbruch hat (28 Minuten Rückstand) und am Montag wieder den Strahlemann in den Bergen macht.
RMC hatte dazu während der Etappe auch einen Verantwortlichen des Teams Astana per Telefon befragt, der eine absolut hanebüchene medizinische Erklärung anbot: irgendetwas mit Knieproblemen und Druck im Knie. nach dem Interview haben die Kommentatoren nur mit dem Kopf geschüttelt, was für eine halbseidene Geschichte ihnen da aufgetischt wurde.
[18h14] Auch in der gestrigen Übertragung äußerte sich ein Leiter von “Française des Jeux” sehr abfällig über die Geschichten rund um Rasmussen und sagte das ihn diese Tour sehr an die Tour 1998 (Festina-Skandal) erinnere. Das sorgte für Aufregung bei den Kommentatoren. Kann und darf man so etwas sagen? Nachdem Vinokourov dann im Laufe des Nachmittags immer strammer fuhr, wuchs dann auch bei ihnen die Skepsis.
[18h19] EUROSPORT berichtet per Kurznachricht während der Halbzeit von Deutschland – griechenland. Die ARD-Sendung um 18h50 ist nun natürlich Gold wert!
[18h21] Wenn ich es auf der Website von L’Équipe richtig lese, verteidigt der Sportliche Leiter von Rabobank, Theo de Rooy, die Nominierung von Rasmussen sinngemäß: die Verwarnungen hätten vertraulich bleiben müssen. Keine Ahnung ob ich da was falsch verstehe, ich werde mir im Laufe des Abends die L’Équipe-Ausgaben der letzten Tage holen. Allein um die Stimmung in Frankreich zu sondieren. Wenn die Kommentatoren auf RMC ein Gradmesser sind, ist man in Frankreich kurz davor die blanke Wut regieren zu lassen.
[18h26] Das Delikt von Alexandre Vinkourov: er ist am Samstag beim Einzelzeitfahren nach Eintreffen am Ziel kontrolliert worden und positiv auf Fremdblut-Doping getestet worden. Das Resultat macht deutlich dass sich Vinkourov der Transfusion erst “kurz” vor dem Start unterzogen hat.
Kann es sein, dass Astana die Blutbeutel vertauscht hat, wie JensA in den Kommentaren spekuliert? Es wäre Zufall, da Fremdblut-Doping in der Regel mit “kompatiblen Blut” durchgeführt wird, also gleiche Blutgruppe und Rhesusfaktor.
[18h31] Aufmacher beim Radsportsender SACK.1: Die Flut in England. Mit SKY-Bildern von gestern. Glückwunsch. Bislang keine Erwähnung vom Dopingfall.
[18h37] 7te Sendeminute bei SPACK.1. Klimawandel, US-Wahlkampf, Bulgarische Gefangene in Libyien, Ökoaktivisten gegen Genmais. Bislang kein Vinokourov.
[18h39] “Der Balkan brennt!” SACK.1 zu der Hitzewelle in Südosteuropa. 10te Sendeminute, kein Vinokourov.
[18h42] 12te von 14 Sendeminuten. Nach lustigen Bildern von einer Flugzeuglandung auf einem US-Highway kommt SPACK.1 nun zum Vinokourov-Thema. Mit Korrespondentenbericht. Sinngemäßes Zitat: “Besondern bitter: mit dem Team muss nun auch Andreas Klöden die Tour verlassen, ohne sich etwas zu Schulde kommen zu lassen.”
Ja, wie gut das wir diesen Aspekt nochmal besonders herausstellen, SPACK.1.
[18h46] Laut einer Umfrage die von einer französischen Sonntagszeitung durchgeführt wurden, glauben 78% aller Franzosen nicht, dass ein Etappensieger bei der Tour sauber ist (Quelle: sport24.com).
[18h51] In der ARD äußerst sich Gerolsteiners Holczer auch dahingehend, dass er es sich nicht vorstellen kann, das heute noch nachweisbares Fremdblutdoping durchgeführt wird. Da wurden wohl Blutbeutel verwechselt “was noch auf viel mehr hindeutet” (Holczer).
[18h53] David Millar in der ARD: “tragisch” … “traurig” … “war ein Fan von Vinokourov”.
[18h55] Christian Prudhomme/Tour-Organisator: “Wir wurden nicht vorgewarnt, weil die Abläufe bei den Doping-Tests so sind, das zuerst Team und Verband informiert werden.” … “Die Doper spielen russisches Roulette”
[18h59] Nochmal eine Präzisierung zum Freispruch von Alessandro Petacchi (Ex-Milram): Petacchi konnte eine Ausnahmegenehmigung für das Asthmamittel vorweisen. Aber: nach Ansicht der Staatsanwaltschaft erlaubt die Ausnahmegenehmigung nur 1.000ng/ml Salbutamol, während bei Petacchi 1.320ng/ml gefunden wurden. Die Disziplinarkommision des italienischen Radsportverbandes hat sich ausdrücklich nicht dieser Auffassung der Staatsanwaltschaft angeschlossen und Petacchi freigesprochen. Eine Begründung warum der Radsportverband den Grenzwert nicht anerkannt hat, wurde nicht gegeben (Quelle: sport24.com).
[19h04] Holczer in der ARD: “Mich interessiert es nur am Rande, wer die Tour gewinnt”. Er habe soviel mit anderem Zeug zu tun, dass er sich manchmal bei seinen Beifahrern erkunden muß, wie der Stand bei der Tour wäre.
[19h11] Zitat des Sportlichen Leiters von Française des Jeux, Marc Madiot: “Eine Überraschung? Nein. Hab nix zu sagen. Raus! Gehen Sie weiter, es gibt hier nix zu sehen.” (Quelle: Le Monde). BTW: nach Informationen der Le Monde von Anfrang Juni, arbeitete einer der Ärzte von Team Astana, Andreas Blum, bis mindestens 2006 an der Uni Freiburg.
[19h16] Aus der Pressekonferenz von Team Astana, according ARD: Vinkourov bestreitet das Fremdblutdoping.
[19h19] Die Sportlichen leiter der Tour sollen in diesen Augenblicken zu einer Krisensitzung zusammengetreten sein (Quelle: sport24.com).
[19h28] Eric Boyer, Leiter bei Cofidis:
Ich bin völlig enttäuscht. Ich hoffe Vinokourov besitzt wenigstens den Anstand und streitet es nicht ab. Ich hoffe er erklärt wer ihm geholfen hat, wer an dieser Schweinerei beteiligt war, denn das kann man nicht alleine machen. Vinokourov hat uns gesagt, er würde mit Dr. Ferrari nur der Trainingspläne wegen arbeiten. Er hat uns erzählt, dass er mutig sei, dass die Franzosen es mögen würden, dass er stärker als der Schmerz wäre. Er hat uns erzählt, dass die Franzosen Weicheier wären und jetzt stellt sich heraus dass er ein großes Arschloch ist, der den Radsport einmal mehr in Mißkredit bringt. Es ist ein harter Schlag. Ich hoffe wir stehen noch einmal auf. Ich stehe zu dem was ich seit einigen Wochen und Monaten sage. Ich fordere hiermit das Team Astana auf, den Radsport schnellstmöglichst zu verlassen.
Roger Legeay, Leiter bei Crédit Agricole:
Was für ein Horror! Es ist unerträglich! Was werden sie noch anstellen? Es muss jetzt alles angewendet werden, was in den letzten Jahren in Kraft gesetzt wurde: die Charta, die Selbstverpflichtungen. Man muss sich von denen absetzen. Man hat mit denen nichts zu tun. Raus!
(Quelle: jeweils L’Équipe.fr)
[19h38] Ich finde derzeit auf französischen Websites keine Bestätigung der Meldung des ZDFs, dass das Team Astana von der Tour rausgeschmissen wurden. In Frankreich wird immer noch gemeldet, dass das Team Astana von sich heraus den Schritt unternommen hat. Ich hoffe in den 20h30-Nachrichten auf TV5 mehr zu erfahren.
[19h42] Cyclingnews.com meldet den Wortlaut der Presseerklärung mit der das Team Astana die Tour verlässt:
ccording to the ethical code of the Astana Cycling Team, Alexandre Vinokourov has been suspended of the team with immediate effect. The rider asked nevertheless [for] a B-analysis. Informed by the Astana management, the organisers of the Tour de France invited the team to withdraw, [and] was immediately accepted.
Also Astana informierte die Tour-Organisatoren und die Organisatoren baten Astana die Tour zu verlassen, was jene anstandslos taten.
[19h46] Die Doping-Nachricht ist beim französischen Nachrichten-Sender BFM (TV) und beim Rundfunksender France-Info die Nummer 1-Schlagzeile.
[20h12] Die französische Polizei führt momentan (oder hat vor kurzem durchgeführt) eine Durchsuchung des Mannschaftsquartier von Team Astana durch (Quelle: France Info)
[20h15] Laut Astana-Manager Marc Biver erkläre Vinokourov dass seine Blut-Anomalien mit seinem schweren Sturz bei der 5ten Etappe zusammenhänge… (Quelle: FAZ)
[20h26] DWDL.de berichtet von den SPACK.1-Einschaltquoten des Montags. Die Tour kam auf einen Marktanteil von 4,1 in der Kernzielgruppe (14-49 Jahre), knapp ein Viertel dessen was SPACK.1 ansonsten an Nachmittagen einfährt.
Mal sehen ob die SPACKos den Dopingvorfall nutzen um die Einschaltquoten und Werbekunden zu retten und ihrerseits aus der Tour auszusteigen. Als Nebeneffekt könnte man so tun, als würde man ARD & ZDF im Kampf gegen Doping an vorderster Front beistehen….
[20h30] In der Hauptnachrichtensendung von France 2 (via TV5) ist die Tour das zweite Thema. Aufmacher ist die Befreiuung der bulgarischen Krankenschwestern aus Libyien, an denen französische Diplomaten und Präsidentenehefrauen beteiligt waren.
[20h38] L’Équipe.fr bestätigt die Durchsuchung der Quartiere von Team Astana und auch von AG2R heute abend.
[20h48] Titelblatt der L’Équipe vom Sonntag: “Vino ist zurück!”. Karikatur auf Seite 2: ein blauer, kasachischer Adler stürzt auf das Feld. Das Péloton: “er will uns alle aufessen!”
[20h50] Nach 20 Minuten (von 40 Minuten Sendezeit) kommt man in den Nachrichten von France 2 zum Fall Vinkourov (France 2 ist Host-Broadcaster der Tour). Kurioserweise befragen alle Sender anscheinend nur den David Millar.
Leider wurde in der Ausgabe von TV5, die um 10-15 Minuten gekürzt wird, das Interview mit Patrice Clerc, einem der Tour-Verantwortlichen nicht gezeigt. Er unterstrich nochmal, dass die Tour 2007 nicht abgebrichen wird (Quelle: sport24.com).
[21h08] Die Medien und Tourbeobachter sehen gespannt dem morgigen Tag entgegen, wenn die Ergebnisse des Dopingtest der 15ten Etappe vorliegen, namentlich von Vinokourov und Contador.
[21h17] Doping? Alles Lüge. Der Koch von Bouygues Télécom erklärt in der Sonntagsausgabe was die Fahrer in Wirklich treten läßt:
Bei einer Bergetappe verbrauchen die Fahrer bis zu 8.000kcal. Meine Rolle ist es deie Fahrer mit der Energie zu versorgen, die sie benötigen. Beim Abendessen müssen es 2.000 kcal sein und das wichtigste Mittel zu Zufuhr sind Nudeln. Jeder Fahrer isst das äquivalent von 170g Trockennudeln. meistens ohne Sauce, aber häufig mit ein bißchen Käse.
Die Nudeln müssen auf die Minute genau gekocht al dente sein und dem Fahrer frisch serviert werden.
Wenn die Nudeln zu sehr durchgekocht sind, sind sie nicht mehr so gut zu verdauen. Die Glukose wird dann nicht benützt um den Energiespeicher zu füllen, sondern in Fett umgewandelt.
Hören Sie morgen auf SPACK.1 das Geständnis des Astana-Kochs: “Ich bin schuld! Meine Nudeln waren noch nicht durch!”
[21h42] Die beiden Tour-Organisatoren Patrice Clerc und Christian Prudhomme in einem Interview mit L’Équipe.fr (bzw. der Wortlaut klingt sehr nach der PK vom frühen Abend):
Wir werden die Tour nicht abbrechen. Wir haben häufig gesagt, dass wir uns in einem gnadenlosen Krieg gegen Doping befinden. In einem Krieg gibt es auch Schäden. Die Tour macht gerade eine schwarze Ära durch, aber wir werden nicht nachgeben, das Spiel aufgeben und den Schummlern den Platz überlassen.
Wir haben den Fahrern gesagt, dass der Start in London eine gute Gelegenheit für einen Neuanfang ist. Das hat nicht geklappt. Wir wollen denen sagen, die es noch nicht verstanden haben, dass sie russisches Roulette spielen. Indem sie betrügen, spielen Sie russsisches Roulette. Das muss in ihre Köpfe. Wenn einige weiter betrügen und einen ganzen Sport in den Dreck ziehen, dann sollten sie verstehen, dass wir absolut entschlossen sind. Ein positives Dopingergebnis mehr, das finde ich nicht witzig, ist aber auf der anderen Seite auch der Beleg, das unser Ansatz funktioniert.
Vinokourov hat eine markante Persönlichkeit, er hat Kampfgeist gezeigt, aber er hat betrogen. Betrüger haben die Tour zu verlassen, egal wer. Die Öffentlichkeit möchte keine Betrüger sehen. Die möchten eine glaubwürdige Tour sehen, mit unverdächtigen Leistungen die sie bewundern können wollen. Wir sind nicht niedergeschlagen, sondern mehr denn je entschlossen, diesen kampf bis zum Ende zu führen. Wir sind uns sicher: wir nähern uns dem Sieg.
Anfang des Jahres hatte das Team Astana Fahrer die zum Besten des Peloton gehörten. Wir haben die Verantwortlichen des Teams sehr ausdrücklich davor gewarnt, die Grenzen des Reglements auszuloten. Angesichts der Qualität der Mannschaft hielten wir einen Startplatz bei der Tour für gerechtfertigt. Heute bedauern wir unsere Entscheidung. Wir bedauern es, einmal mehr betrogen worden zu sein. Leider mussten wir dazulernen. Das einzige was wir noch an dem Team Astana respektieren, ist dass sie anstandlos unseren Wunsch akzeptiert haben, die Mannschaft aus der Tour zurückzuziehen.
Michael Rasmussen hätte bei der Tour nicht dabei sein dürfen. Ein Champion oder jemand der sich dafür hält, hat vorbildlich zu sein. Rasmussens Verhalten vor der Tour und sein inakzeptabler, lässiger Umgang mit den Anti-Doping-Richtlinien hätte uns früher zur Kenntnis gebracht werden müssen. Wir hätten in diesem Fall seine Teilnahme abgelehnt, weil er kein Vorbild für das Fahrerfeld ist.
Das aktuelle Kontrollsystem funktioniert nicht. Es ist ein völliger Fehlschlag. Es muss geändert werden. Das System schützt nicht die größte Rundfahrt der Welt […] Wir brauchen eine Revolution.
[23h03] Frankreich ist ein stolzes Land. Es ist auf sich stolz. Auf seine Landschaften. Auf seine Kultur(en). Die Tour funktioniert als Schaufenster zu diesem Land. Als Schaufenster für sich, als eine Art virtuelle Reise um das Land und als Schaufenster für den rest der Welt, um sich selbst zu präsentieren. Das Land ist nicht einfach Kulisse bei der Tour, sondern der zu bezwingende Gegner.
Aus diesem Stolz heraus lässt sich vieles erklären, wie z.B. die angebliche Amerikafeindlichkeit und der verzweifelte Versuch Anglizismen auszusperren. Dieser Stolz spiegelt sich auch in der Tour wieder, die eben nicht nur ein einfaches Sportereignis für die Franzosen ist, sondern teil der nationalen Identität, Teil der Patrimoine.
Das muss man verstehen, um die vorsichtige Haltung der Franzosen zum Thema Doping zu erklären. Doping wird zuallererst als Ausnahme von der Regel gesehen. Deswegen schlossen sich die Franzosen nie den pauschalen Verdächtigung z.B. aus Deutschland an.
Die Tour 1998 (Festina) konnte noch als GAU interpretiert werden.
Der Tour 2007, Rasmussen und Vinokourov gebührt der Verdienst diese Haltung bei den Franzosen zu kippen. Es ist nicht mehr ein Doping-Einzelfall oder ein Verdacht. “Hoho, der Mann fährt aber die Berge schnell rauf, zwinker, zwinker“. Die Franzosen packen gegenüber ihrem Lieblingskind Tour Zynismus aus. Unerhört in der Geschichte der Tour.
Seit dem Rasmussen-Verdacht oder den abstrusen Leistungen des Alexandre Vinokourov haben immer mehr Franzosen aufgehört die Tour für voll zu nehmen. Die Franzosen registrieren sehr wohl, dass die vermeintlich sauberen französischen Fahrern nicht unter den Top 25 im Gesamtklassement zu finden sind.
Rasmussen wird seit dem Wochenende sogar von der L’Équipe nicht mehr als würdiger Tour-Sieger angesehen, sondern Teil des Problems. Die Pest die man nicht mehr los wird.
Wenn sich Deutschland aus der Tour ausklinkt, geht “nur” ein großer Markt verloren. Mit T-Mobile verabschiedet sich ein großer, prägender Sponsor, aber das wäre insgesamt überschaubar.
Wenn aber die Franzosen nicht mehr die unschuldige Liebe zum Radsport und zur Tour empfinden können, hat der Profiradsport wirklich Probleme. Frankreich ist das Kernland. Frankreich besitzt den größten Radsportveranstalter und die Tour ragt weit, weit, weit über alle anderen Radsportereignisse hinaus.
Ich weiß nicht wie es mit der Tour die nächsten Tage und Monate weiter geht. Das Publikum wird vermutlich weiter am Straßenrand sein um das Spektakel sich anzusehen. Aber ob die Reaktionen in Paris so enthusiasmiert sein werden? Pfeiffkonzert für Rasmussen nicht ausgeschlossen. Es erhöht hoffentlich den Druck im Péloton, die schwarzen Schafe auszugrenzen.
Und nach der Tour wird das Großreinemachen anfangen. Eine Reihe von Sponsoren wird abspringen und die Tour-Organisatoren werden ihr Heil in einem Konfrontationskurs mit der UCI suchen, vielleicht sogar sich von der UCI abspalten. Es wird mächtig Lärm geben, denn das ist die einzige Chance der Tour, in Frankreich und gegenüber dem Rest der Welt, das Gesicht der Tour zu wahren. Nicht umsonst haben Clerc und Prudhomme heute abend auf der Pressekonferenz Kriegsvokabular benützt.
Es ist scheißegal wer die Tour gewinnt. Das Geschehen abseits des Feldes ist längst viel spannender.
[23h12] Eine Portion Generalverdacht für die Nacht? Aus der Dienstagsausgabe der L’Équipe. Ein Artikel mit Aussagen von Dr. Fréderic Grappe. Wissenschaftler an der Universität Besaçon, Biomechaniker und Berater für den französischen Radsportverband. Grappe hat sich u.a. mit der Messung von Leistungen im Radsport befasst.
Er kommt nach den letzten Tagen zum Schluß, dass Rasmussen nicht sauber ist. Am Samstag ist Rasmussen bis zur Steigung bei Kilometer 35,5 2kmh langsamer als die fünf schnellsten Fahrer gefahren. Bei der Steigung konnte der Bergfahrer logischerweise mithalten, aber – und das ist außergewöhnlich – im zweiten flachen Teilstück ab Kilometer 38 fuhr Rasmussen genauso schnell wie die fünf Schnellsten. Sein Körper zeigte also keinerlei Ermüdungserscheinungen. Rasmussen habe seine ungewohnt gute Zeitfahrleistung mit der veränderten Position auf dem Rad erklärt. Grappe, dessen Doktorarbeit just über die ideale Sitzposition auf dem Rennrad handelte, hält dies für ausgemachten Unsinn. Rasmussen hatte keine feste Sitzposition und sein Körper bewegte sich in alle Richtungen. Alles andere als optimal.
Auch Rasmussens Leistung am Tag danach, am Anstieg zum Plateau de Beille sei suspekt. Rasmussen und Contador haben beim Anstieg die 2004er-Zeit von Armstrong um 81 bzw. 82 Sekunden unterboten. Während aber Armstrong nur eine Beschleunigung benötigte um dann gleichmäßig raufzufahren, haben sich Rasmussen und Contador versucht mit Zwischensprints aus dem Rad zu fahren. Als ob es nach einer fünfstündigen Fahrt keine Müdigkeit gäbe.
Für Grappe ist der 2005er-Anstieg zum Courchevel das Aha-Erlebnis, als Valverde, Armstrong, Rasmussen, Mancebo und Basso den alten Rekord pulverisierten. Vier dieser Fünf sind mehr oder weniger des Dopings überführt. Und Rasmussens Leistung am Sonntag in Beille ist in den Werten vergleichbar mit 2005. Nimmt Grappe seine Erfahrungswerte und schaut sich den Anstieg zum Plateau de Beille an, hält er die Fahrt von Rasmussen und Contador jenseits des Menschenmöglichen und die Fahrt von Klöden und Valverde für suspekt: “Im Gegensatz zu dem was man glauben könnte, hatten Klöden und Valverde keinen schlechten Tag. Vielmehr ist vorne die Fahrt einfach zu schnell gewesen. Sie haben 40 Sekunden auf nur zwei Kilometern bekommen. Das habe ich noch nie gesehen.”
[23h38] Heute abend wurde nicht nur das Teamhotel von Team Astana von der Polizei durchsucht, sondern auch ein Begleitfahrzeug des Teams auf der Autobahn bei Toulouse vom Zoll(!) gestoppt worden. Die Staatsanwaltschaft bestätigte dass die Durchsuchung des Fahrzeugs in Zusammenhang mit Dopinguntersuchungen steht. Mehrere Passagiere des Begleitfahrzeuges wurden von der Polizei vernommen (Quelle: L’Équipe.fr/AFP).
[00h32] Weiß sie mehr? Die Ministerin für Gesundheit, Jugend und Sport Roselyne Bachelot schloß in einem Interview mit France-Info nicht aus, dass es diese Woche weitere positive Doping-Tests geben wird (Quelle: L’Équipe.fr).