Ein Toter, einsetzender Flak-Beschuß, viel Alkohol und wenig Geld
Englands Nationalcoach Steve McClaren hat ein Problem: Sauregurkenzeit bei den britischen Fußball-Medien und nur eine Person läuft mit einer riesengroßen Zielscheibe umher. Steve McClaren himself. Nicht vorzustellen was um McClaren veranstaltet würde, wenn es da nicht den toten Cricket-Nationaltriner gäbe…
Das Spiel in Israel wurde zwar schon am Samstag als elendig empfunden und anhaltendes Kopfschütteln Galore auch am Sonntag. Aber inzwischen steigert sich von Tag zu Tag die englische Selbstauspeitschung derart in der Lautstärke, dass sich sogar die FA veranlasst sieht, McClaren öffentlich den Rücken zu stärken, was nach normalen Fußballgesetzen als Signal für eine baldige Ablösung zu interpretieren wäre.
Nicht in England. Wenn England “Dusel” hat, “prügeln” sie am Mittwoch in Barcelona Andorra mit 2:0 weg und McClaren hat erst einmal ein paar Monate Ruhe. Die Tabellensituation sieht nicht gut aus (England = 3ter, Kroatien 5 Punkte vor, Russland 3 Punkte vor), aber wenn man bedenkt dass Russland noch zweimal gegen England spielen muss, so haben die Engländer eine Qualifikation noch in eigener Hand. Noch.
Ärger droht “Mac” auch von der eigenen Seite: mehrere Medien berichten von Meinungsverschiedenheiten zwischen McClaren und seinem Co-Trainer Terry Venables (u.a GUARDIAN). Venables soll eine Aussprache nach dem Andorra-Spiel verlangt haben und sich beschwert haben, das McClaren ihn und seine Ratschläge völlig ignoriert (was kurioserweise McClaren nach der WM Eriksson vorgeworfen hat)
Die beste “Lebensversicherung” (um einen gerade in Mode gekommenen Begriff der deutschen Sportjournalistik zu verwenden) Steve McClarens scheint die finanzielle Ausstattung der FA zu sein. Die FA hat noch den teuren Schweden-Svennie auf der Gehaltsliste und nach McClaren auch noch einen dritten hochkarätigen Trainer zu bezahlen, dürfte der FA gewaltige Bauchschmerzen bereiten.
Und so bleibt es bei dem lähmenden Gefühl für die Fans, dass man bei der Wahl von McClaren wirklich nur die zweite Wahl genommen hat und sich bis zur EM in der Mannschaft nichts tun wird. Von den Spielern, das sah man schon unter Eriksson, sind keinerlei Impulse zu erwarten.
Allen Schlagzeilen zum Trotz wie z.B. heute die Sun: “SMAC! Beat Andorra or it’s the sack”. Da heißt es u.a.:
At 12.50 a volley of shots could be heard coming from the fort just above the team HQ.
For one moment, we thought McClaren may have reached for the service revolver and done the honourable thing.
Der Tote im Cricket-World Cup
Man braucht Trainer nicht tot zu schreiben. Es geht auch in realiter. Die Story um den ermordeten Cricket-Trainer Pakistans Bob Woolmer ist auch bis nach Deutschland herüber geschwappt. Eine sehr empfehlenswerte Aufarbeitung der Story ist bei BBC Five Live zu finden. In Sportsweek kann man die Ausgabe vom Sonntag als Stream oder Podcast herunterladen.
Die Story ist im Grunde genommen drehbuchreif. Pakistan scheidet aus, nachdem der haushohe Favorit eine völlig überraschende Niederlage gegen Irland hinnehmen muss. Der Trainer zieht sich in das Hotel zurück, macht einen enorm geknickten, depressiven Eindruck. Schreibt am nächsten Morgen in aller Frühe eine eMail an den Verband, dass er seinen Rücktritt erklärt und wird Stunden später tot aufgefunden. Ein Hauch von Barschel liegt in der Luft.
Die örtliche Polizei gibt erst einige Tage später bekannt, dass Woolmer durch Erwürgen umgebracht wurde, was endgültig alle Spekulationen ins Kraut schießen lässt und SKY NEWS vor Ort ein Studio mit einem Reporter und einem Anchor man einrichten lässt.
Woolmer war von ziemlich mächtiger Statur, so dass ein Erwürgen für ein Individuum nicht leicht gefallen sein kann. Zudem gab es keinerlei Spuren eines Einbruches, weswegen Woolmer seine(n) Mörder gekannt und reingelassen haben muss.
In den Beiträgen in Sportsweek klingen kulturellen Probleme durch, die der Südafrikaner in Pakistan mit dem Trainieren der Nationalmannschaft hatte oder das Autoritätsproblem zwischen Woolmer mit dem Kapitän Inzamam-ul-Haq. Cricket hat insbesondere in Asien ein Wettproblem. Dort gehöre das sogenannte “Spot Betting” oder “Spot Fixing” zum Alltag. “Spot Betting” ist das Wetten nicht auf den Spielausgang, aber auf Details im Spiel. Im Fußball z.B. welche Mannschaft den ersten Eckball bekommt, oder wer die erste gelbe Karte bekommt. Während zum Verschieben von ganzen Spielen mindestens 3, 5, 6 Spieler im Cricket notwendig sind, können solche kleinen Ereignisse leicht durch einen korrupten Spieler angeschoben werden. Es gibt nur noch wenige Cricket-Liebhaber, die glauben dass ihr Sport sauber ist. Im Zuge der Mordaffäre Woolmer gehen sehr, sehr viele Journalisten davon aus, dass ein Großteil der internationalen Cricket-Spiele in irgendeiner Form manipuliert sind.
Die Geschichte ist auch für den Fußball interessant, denn spätestens seit Hoyzer sollte bekannt sein, dass auch ein westeuropäisches Land mit bis in die Poren durchorganisierten Ligabetrieb, nicht vor Manipulationen gefeit ist. In der Sportsweek-Sendung wurde auch mit einem Dienstleister gesprochen, der für den Cricketverband die Sportwetten-Szene beobachtet und auffällige Einsätze meldet. Dieser Dienstleister hält eine Kontrolle des “Spot Bettings” für ausgeschlossen und spricht auch davon, dass eine Überwachung der Wetteinsätze sinnlos sei. Die entsprechenden Protagonisten sind keine Idioten und benützen längst Infrastrukturen außerhalb der offiziellen Sportwettenanbieter. Gerade in Asien wäre die illegale Szene sehr groß und nicht zu überwachen. Als einziges Gegenmittel wäre eine verstärkte Legalisierung von Sportwetten, um den illegalen Markt für durchschnittliche Sportwetter uninteressant zu machen.
Dit’n’Dat
Es ist nicht nur Steve McClaren an dessen Stuhl gesägt wird. Die Niederlage gegen Deutschland war der Arbeitsplatzsicherheit von Karel Brückner in Tschechien nicht zuträglich. Brückner war am Mittwoch kurz davor den Brocken hinzuschmeissen. Hintergrund: nach Niederlage gegen Deutschland haben tschechische Spieler den Geburtstag von Tomas Ujfalusi mit sehr viel Wein, ein bißchen Weib und ein bißchen Gesang gefeiert. Brückner ist entsetzt gewesen als er davon in einer Boulevardzeitung gelesen habe. Der Verband strafte die Mannschaft mit 35.000 EUR Strafe ab.
Diese disziplinären Probleme sind Öl in das Feuer dass die Medien derzeit rund um Brückner entfachen, dem veraltete Taktik und Spielvorbereitungen nachgesagt werden.
Der 115-Mio-EUR-Verkauf von Olympique Marseille an Jack Kachkar ist auch 3 Monate nach seiner Ankündigung immer noch nicht vollzogen. Der Besitzer Robert Louis-Dreyfus verweigert die Übergabe, weil Kachkar immer noch nicht die notwendigen Sicherheiten für jährliche Investitionen von 20-30 Mio EUR vorzeigen konnte. Gegen Kachkar wurde Anfang März in den USA wegen unsauberer Finanzgeschäfte und Geldwäsche Untersuchungen eingeleitet (GUARDIAN). Robert Louis-Dreyfus soll französischen Berichten zufolge alle Verhandlungen mit Kachkar auf Eis gelegt haben.
Ein anderer französischer Verein veranstaltet einen pissing contest mit dem Nationaltrainer Raymond Domenech, was aufgrund des Charakters von Domenech keine große Kunst ist. Der Präsident von Olympique Lyon Jean-Michel Aulas wehklagte in den Medien: sein Verein wäre gegenüber dem Verband so freundlich gewesen und hätte wenige Tage vor dem schweren Champions League-Spiel in Bestbesetzung im Ligapokal mitgemacht. Der Verband möge sich daran erinnern und die neun(!) Lyoner Nationalspieler vor dem Freundschaftsspiel gegen Österreich nach Lyon zurückschicken, damit sie vor dem Pokalfinale am Wochenende nicht überspielt wären.
Mit so einem Wunsch an die Medien zu gehen, da ist man bei Domenech aber s-o-e-t-w-a-s von an der falschen Adresse. Domenech hat dem Präsidenten am Sonntag per Fernsehen verbal den Mittelfinger gezeigt und keinen einzigen Spieler vorzeitig nach Hause gelassen und wird vermutlich irgendwann nachts auch noch in den Garten von Aulas kacken.
Bye, Big Baby
Glen “Big Baby” Davis hat vor einer Woche auf einer Pressekonferenz angekündigt zu den Pros gehen zu wollen. So “Shaq”-y war kein Spieler seit Shaquille O’Neal selber. Ähnliche Physis, ähnliche Stats, durchaus eine humorige Ader, wie Shaq für LSU spielen. Keine Ahnung ob er sich wird durchsetzen können. Analysten schätzen ihn derzeit als Zweitrunden-Pick ein. Aber als Typ würde ich ihn auf jeden Fall gerne in der NBA sehen.
Man kann nicht ahnen wieviel Geld Glen Davis dadurch weggeschmissen hat, dass er diese Saison noch bei LSU gespielt hat, statt zu den Pros zu gehen. Das Kalkül war das gleiche wie jetzt bei den Florida Gators: man hatte 2006 eine gute Truppe die fast unverändert in diese Saison gegangen ist. Aber anders als bei den Gators, stimmte irgendwas bei LSU nicht und die Saison ging so bitterböse den Bach runter, dass es noch nicht einmal für eine Teilnahme an der March Madness reichte.
Auch die NBA…
Das Hamburger Abendblatt bringt in einer Kurzmeldung einen Bericht des Sacramento Bee, wonach die NBA vorhabe ein regular season-Spiel in Europa stattfinden zu lassen. Angeblicher Favorit soll London sein. Köln solle Außenseiterchancen haben.
NBA in London? Da gilt das gleiche was ich zur NHL in London gesagt habe. Für das erste regular season-Spiel ist das eine “faule Nummer”. Gleiche Sprache, wenig Anpassungsschwierigkeiten und ein Schlag in die Fresse der europäischen Kernmärkte wie Frankreich, Italien oder Spanien. (Ehe der Einwand wieder kommt: im Falle der NFL sehe ich den Fall anders, da American Football aufgrund seiner WLAF/NFLE-Vergangenheit und der derzeitigen TV-Situation sehr wohl Wurzeln in England hat, die man über ein regular season-Spiel antesten kann).
Aber wenn ich versuche die Meldung in den USA nachzugooglen, finde ich nicht viel. Es sieht daher für mich eher nach laut ausgesprochenen Gedankenspielen eines kleinen Westküsten-Kolumnisten aus, als nach der kurz bevorstehenden Bekanntgabe von Grizzlies – Kings im Millenium Dome.