WM-Shots: Hypochonder

Die Skeptiker sollten Recht behalten, heute morgen hat Jürgen Klinsmann in der Nationalmannschaftsaudienz einen Einsatz von Michael Ballack gegen Costa Rica für sehr unwahrscheinlich erklärt. Irgendwo hatte ich in den letzten Tagen aufgeschnappt, dass Klinsmann ein Grundprinzip aufgestellt hatte: Spieler die zwei Tage vor einem Spiel nicht fit seien, sollten auch nicht in der Startelf stehen.

Klinsmanns Erklärung für die Absenz liegt jedenfalls auf dieser Linie: Michael Ballack wäre in einem Notfall wohl einsatzfähig zu bekommen, aber angesichts des Umstandes, dass er in Berlin noch an keinem einzigen vollen Mannschaftstraining teilnehmen konnte (und nur Costa Rica ansteht), läßt man ihn draussen. Er soll in aller Ruhe wieder in den normalen Trainingsrhythmus rein.

Mich hat ein bißchen gewundert, dass bei diesen Aussagen kein einziger Journalist in den Sitzreihen verstorben ist, denn in den letzten Tagen neigt die deutsche Journaille zu ausgeprägtem Hypochondertum. Keine Bazille die nicht das sofortige WM-Aus Deutschlands hätte nach sich ziehen können: “Herr Ballack, Ihre Stimme ist rauh, sind Sie erkältet?”, “Herr Klose, was ist mit Ihrem Auge, oder ist das nur ein Gerstenkorn?” Ich hoffe die Journalisten sind beim Einreichen ihrer Krankenstände nicht ganz so verweichlicht.

Die heutige Fragestunde war dann ansonsten ziemlich belanglos. Auf Nachfrage von US-Journalisten bestätigte Miroslav Klose, dass “die jungen Spieler” aufmerksam die NBA-Playoffs verfolgen würden. Hmmm. Miroslav Klose spricht von “jungen” Spielern und meint die anderen. Ist es schon soweit, dass in diesem Kader die Siebenundzwanzigjährigen sich von den “jungen” abgrenzen?

England – Mit großem Schmiß verlas Sven-Göran Eriksson heute eine Erklärung vor der Presse und verbat sich fortan Fragen zum Thema Rooneys Fuß. Tja, wer den Hype ruft, sollte sich nicht wundern, wenn der Hype dann auch kommt.

Eriksson soll seinen Trainerstab informiert haben, dass er, bei normalen Heilungsverlauf, plane Rooney in der letzten halben Stunde gegen Schweden einzuwechseln, vorausgesetzt, es ginge in dieser Partie nicht mehr um die Achtelfinal-Quali. Mit diesem Gerücht dürfte sich Eriksson endgültig zu Alex Fergusons Feind gemacht haben, der einen WM-Einsatz von Rooney für viel zu früh hält. ManUtd würde am liebsten den Spieler aus dem Kader zurückziehen, hat aber keine Handhabe gegen die FA. ManU hat wohl gestern sogar versucht, einen zweiten Arzt zur Untersuchung (“to request a second opinion”) heranzuziehen, aber erfolglos. Stattdessen wurden sämtliche Aussagen des untersuchenden Arztes notiert, die Drohung von Schadensersatzforderungen liegt in der Luft.

Während alles auf Rooney starrte, kackte Hiob woanders hin: Steven Gerrard überraschte heute mit der Aussage, dass die Chancen für einen Einsatz gegen Paraguay (Sa 15h) nur 50/50 wären. Grund wären Hüftprobleme, die in den Rücken reinstrahlen.

Frankreich – Schieres Entsetzen in Frankreich über die Verletzung von “Djib” Cissé, der sich gestern nach 9 Minuten im Testspiel gegen China das Schienbein zweifach gebrochen hat. Nun mag man sich über die Bedeutung von Cissé streiten, an der Bezeichnung “Chancentod” ist etwas dran. Aber de-facto ist er Domenechs erste Wahl als Sturmpartner von Henry gewesen und es dürfte ihn nicht erfreuen, dass dieser in vielen Spielen gewonnene Erkenntnisstand seit 81 Minuten vor Beginn der WM fürn Arsch ist.

Wie von mir gestern angedeutet, gab es für Domenech keinen zwingenden Grund einen Stürmer nachzunominieren, zumal die beiden dafür in Frage kommenden Kandidaten, Anelka und Giuly, Domenech liebend gerne ein Messer sonstwohin reinrammen würden. Domenech hat sich aber doch für einen Stürmer entschieden: Sidney Govou von OL, zuletzt im November beim Freundschaftsspiel gg. Costa Rica im Einsatz gewesen. 19 Länderspiele, 3 Tore, war bereits 2004 EM-Nachzügler nach einer Verletzung von Giuly.

Schweden – Ihr erstes Spiel gegen Trinidad & Tobago muss ohne Stammtorhüter Isaksson stattfinden. Eine Kollision mit Mittelfeldspieler Kallström ließ sein Gehirn doch etwas arg erschüttern.

Mexiko – Nach dem plötzlichen Tod seines Vaters ist Stammtorhüter Oswaldo Sanchez zurück nach Mexiko geflogen. Es ist unklar ob und wann Sanchez zurückkehren wird.

Was fehlt – Die aktuelle Ausgabe der “11 Freunde“. Heute mittag gekauft, aber die 190 Seiten mit Schwerpunkt WM werden ihre Zeit brauchen.

Screensport am Donnerstag

Die mässig unterhaltsame Nationalmannschafts-Pressekonferenz findet heute bereits um 9h30 statt. Fragen eins bis vier dürften sich um Michael Ballack (Training wieder abgebrochen) und einem angeblichen Wunderheiler (BILD) drehen. Außerdem dürfte heute wider ein polnischer Reporter zu Wort kommen und fragen ob die Nationalmannschaft sich von den Verwandten von Klose und Podolski auch polnische Wurstwaren fürs Abendbrot schicken läßt.

Die Schlagzahl an Vorberichterstattung wird mit einer abendlichen ARD-Sendung un einer zweiten PREMIERE-Sendung am Vorabend erhöht.

Ansonsten machen wir uns nix vor: 3h00 NBA-Finals, Shaq gegen Nowitzki, Wade gegen ??? (Howard? Terry?). Ich bin gespannt wie der Christoph Daum der NBA, Pat Riley, mit der Situation klar kommt, oder ob er einen hektischen macht…

Donnerstag, 8.6.2006

zirka 9h30 WM2006: Pressekonferenz der deutschen Nationalmannschaft, PHOENIX+PREMIERE+N24+ZDF live
Zu Gast: vorraussichtl. Miroslav Klose.
PREMIERE und PHOENIX ab 9h15

10h30 MLB: NY Yankees – BosSox, NASN delayed
(Whl: Fr 10h30, 19h, 4h)

12h00 WM2006, Testspiele: Australien – Liechtenstein, EUROSPORT 60min
(Whl: 15h15 EURO2, )

14h00 – 18h15 Tennis, French Open: Halbfinale Damen, EUROSPORT live
Spiel1: Vaidisova/16 – Kuznetsova/8
Spiel2: Henin–Hardenne/5 – Clijsters/2

14h00 WM2006, Quali: Costa Rica, PREMIERE
14h: USA – Costa Rica
15h40: Mexico – Costa Rica

16h00 UCI ProTour: Dauphiné Libéré, 4te Etappe, EUROSPORT 2 live
Bergetappe zum Mont Ventoux.

17h30 – 18h15 WM2006: PREMIERE-WM-Studio, PREMIERE live

18h50 – 19h20 WM2006: WM2006 live, ARD live
WM-Vorschau mit Delling.

20h45 Serie B, Aufstiegsplayoff: Mantova – FC Turin, Hinspiel, Finale, EUROSPORT 2 live

23h30 WM2006, Testspiel: Luxemburg – Ukraine, EUROSPORT 2 60min

0h35 – 4h30 WM1974, ARD

1h00 MLB: NY Yankees – BosSox, NASN live
(Whl: 22h)

3h00 NBA, Finals: Dallas Mavericks – Miami Heat, Game 1/7, PREMIERE live
Kommentator vor Ort: Markus Krawinkel

WM-Shots: Cissé übel verletzt, Kroatien defensiv

Frankreich – China – Ich schaue mir gerade die ersten Minuten des Spiels an, nachdem mich die Meldungen über Cissés Verletzungen ereilt haben. Auweia. Es sieht in der Tat sehr derbe aus. Die Zeitlupen sind nichts für empfindliche Magen: Kontakt mit einem chinesischen Gegenspieler im vollen Lauf, Cissé stürzt und bricht sich dabei das Bein. In der Zeitlupe ist zu sehen wie das Bein in zwei Teile auseinanderbricht und die untere Beinhälfte nur noch lapprig der Bewegung des restlichen Beines folgt. Es zerreißt einem selber vor Schmerzen. An optischen Schock ist das irgendwo zwischen Lienens Fleischwunde und Michael Stichs Knöchel.

Cissé wurde 20 Minuten lang am Spielfeldrand auf der Trage behandelt, da erst einmal das Bein fixiert werden musste, bevor er rausgetragen werden konnte. Die französischen Medien gehen derzeit (anderthalb Stunden nach der Verletzung) von einem Schienbeinbruch aus.

Was auch immer da wo genau gebrochen ist, Cissé, der erfolgreichste französische Torschütze der WM-Quali, wird bei der WM nicht dabei sein.

Cissé wurde im Spiel durch Trezeguet ersetzt, der aber ein anderer Typ von Spieler ist, eher im Strafraum “rumhängt”. Im Kader ist derzeit vermutlich eher Saha taktisch ein gleichwertiger Ersatz, vielleicht auch Wiltord.

Trezeguet, Wiltord, Henry, Saha, vier Stürmer im Kader. Domenech wäre nicht wirklich gezwungen einen Stürmer für Cissé nachzunominieren, zumal Frankreich ja auch gerne nur mit einer Spitze spielt. Sollte es ein Stürmer werden, fallen sofort zwei Namen: Anelka und Giuly. Insbesondere die Nichtnominierung von Giuly hat allgemein überrascht. Aber beide Spieler sind für Domenech bzgl. ihrer “Kameradschaftstauglichkeit” ein Fragezeichen. Giuly war wegen seiner Nichtnominierung – von der er erst aus zweiter Hand erfahren hat – ziemlich angefressen und hat angekündigt, sich nicht für die WM fit zu halten und Anelka, der Eigenbrödler, ist eh ein Fall für sich.

Es täte mich nicht überraschen, wenn Domenech jemanden anderes nachnominiert. Obwohl: so richtig Bedarf auf den anderen Positionen hat er auch nicht…

Kroatien – Spanien. Zur Halbzeit führt Kroatien durch ein spanisches Eigentor 1:0. Das Spiel läuft noch, dürfte aber nach den zahlreichen Auswechselungen inzwischen nur noch wertlos sein.

Kroatien trat in einer möglichen WM-Startelf an und war gegen Spanien sehr defensiv eingestellt. Das was nominell eine Dreier-Abwehrkette war, wurde häufig um Babic ergänzt, während Tudor und Kovac im Mittelfeld abräumten. Sogar Prso zog sich weit zurück, so dass Klasnic die vordere der beiden Spitzen war. Schaut man sich die gesamten Testspiele an, so scheint auch dieses Spanien-Spiel gut hineinzupassen: abgesehen vom Österreich-Spiel, agierte man eher defensiv, abwartend und die Spitzen mit langen Pässen fütternd. So kompakt wie sich kroatien derzeit präsentiert, wird man nur schwer Tore gegen sie erzielen können.

#1 Pletikosa, nun offiziell zum WM-Stammtorwart ernannt, zeigte sich eher zögerlich und verunsichert.

Spanien spielte mit einem Spielerskelett, dass zwar der erwarteten WM-Stammelf ähnlich aussah, aber an verschiedenen Positionen doch stark vom erwarteten unterschied, u.a. mit David Villa als Alleinunterhalter, Reyes und Raul nur als Unterstützer. In der ersten Halbzeit war das viel zuwenig und ich frage mich, in Erinnerung an die EM 2004, ob sich da eine theoretisch tolle Mannschaft wieder selbst aus dem Verkehr zieht.

Wayne Rooney und das Röntgenbild: weißer Rauch?

Es ist noch nicht offziell, aber der Kaffeesatz (Teeblätter?) in England sagt: Wayne Rooney hat die medizinische Untersuchung heute vormittag erfolgreich absolviert und grünes Licht für einen Verbleib im Kader bekommen.

Wayne Rooney befindet sich gerade im Flieger zurück nach Deutschland. Die BBC und der Guardian werten es als positives Signal. Ersatzmann Jermain Defoe muss seine Sachen packen. Bis morgen nachmittag wäre für England noch Zeit, aus Verletzungsgründen Änderungen am Kader vorzunehmen.

Manchester United hat auf seiner Website noch für heute abend eine offizielle Erklärung angekündigt.

Und für die restliche rationale Bevölkerung dieser Weltkugel, bleibt es ein Rätsel.

Der WM-Reader: France Football über Jacquet, Viera, Beckenbauer und Matthäus

France Football ist ein zweimal die Woche (Di, Fr) erscheinendes Fußball-Magazin in Frankreich. 56 Seiten im A4-Überformat, durchweg Vierfarbdruck, 1,50 EUR bzw. in Deutschland 2,80 EUR. Gilt als französische Fußballbibel, genießt auch international einen guten Ruf, organisiert z.B. den Preis “Weltfußballer des Jahres”.

Die letzte Freitagsausgabe war die Nr. 3138, mit dem französischen Nationaltrainer Raymond Domenech auf dem Titel (“Wer sind Sie, Herr Domenech?”).

Die Titelgeschichte ist auf dem zweiten Blick interessanter als man glaubt: ein Institut hat die Medienarbeit der letzten acht französischen Nationaltrainer der Neuzeit untersucht (Hidalgo, Michel, Platini, Houllier, Jacquet, Lemerre, Santini und Domenech) und anhand von Faktoren wie “Seriösität”, “emotionale Ansprache”, “Sicherheit ausstrahlend” etc.. gemessen.

Das Ergebnis ist im Falle von Domenech wenig überraschend, aber auf den Punkt. Er gilt als Trainer der am meisten mit Ratio und Kalkül arbeitet. Nachdem er mit Ironie und Wortwitz sich schnell eine blutige Nase geholt hat, hat er seine Medienarbeit auf ein absolutes Minimum reduziert, beschränkt sich auf simple, unmißverständliche Statements und versucht soviel Kontrolle zu behalten wie möglich. Dieser Wandel in seiner Medienpolitik stimmt just auch mit dem Zeitpunkt überein – letzten Sommer –, als er bei Zidane und Co. zu Kreuze gekrochen ist um sie zu einer Rückkehr in die Nationalmannschaft zu bewegen. Der letzte Sommer war in vielerlei Hinsicht für Domenech eine Bankrotterklärung seiner Ambitionen.

Beim Lesen sind mir einige Passagen zu Frankreichs Weltmeister-Trainer Aimé Jacquet aufgefallen und ich habe begonnen mich zu fragen, ob Jürgen Klinsmann den 98er-Erfolg des Gastgeber Frankreichs als Blaupause für 2006 heranzieht.

Wie Klinsmann stellte auch Jacquet (und sein kurzlebiger, erfolgloser Vorgänger Houllier) ein Bruch in der französischen Trainertradition da (auch wenn er anders als Klinsmann, kein Seiteneinsteiger war, sondern vom Vereinstrainer zum Assistenten seines Vorgängers Houllier und dann Cheftrainer wurde). Jacquet war ein Freund des offensiven Umgangs mit den Medien. Weil er auch an Houllier sah, welche Wirkung die Medien auf seinen Job hatten, war Medienarbeit ein zentraler Punkt seiner Tätigkeit: die bewusste Steuerung indem er versuchte die Arbeit der Medien zu antizipieren. Es gelang ihm als ersten französischen Nationaltrainer die Themen “Teamgeist” und “Motivation” in den Medien zu platzieren.

Jacquets “Masterplans” zur WM 1998 enthielt zwei Prioritäten: 1.) Leitung der Mannschaft und 2.) Schaffung eines idealen Umfelds für die Mannschaft. Die Medienarbeit gehörte für Jacquet zum zweiten Punkt. Jacquet war ein Detailfreak, der minutiös versuchte alle Details zu optimieren, um der Mannschaft die besten Voraussetzungen zum Erfolg zu geben. Das erinnert an zahlreiche Kleinigkeiten aus der deutschen Vorbereitung: das bewusst ausgesuchte Quartier in Berlin, das ruhige Refugium in Grünewald, die sehr methodische Gegnerbeobachtung, die wissenschaftliche Begleitung des Fitnesstrainings etc…

Trotz aller Versuche von Jacquet: als die Erfolge in den Testspielen ausblieb und die Mannschaft zudem unattraktiven Fußball zeigte, schlugen die Medien zurück. Jacquet konnte es nicht völlig nachvollziehen, da er sich im Sinne seines Masterplans auf dem besten Wege wähnte. Das mündete in einen Kleinkrieg und gegenseitiger Schuldzuweisung, bis die WM begann. Als Jacquet die WM gewann, zeigten viele Medien Demut und betrieben in den folgenden Jahren “Selbstzensur” und blendeten negative Themen aus, um beim Publikum nicht wieder als Schwarzmaler dazustehen.

Die Parallelen zwischen Jacquet und Klinsmann in Sachen Medienarbeit sind vorhanden. Gleiche Ausgangssituation: beide versuchen das Gastgeberland nach Negativerlebnissen (Frankreichs Nicht-Quali für die WM 94) wieder aufzubauen. Beide versuchen einen Umbruch im Kader. Jacquet bricht mit Papin, Ginola und Cantona. Aber Jacquet hatte mehr Zeit als Klinsmann: vier statt zwei Jahre. Und Jacquet spielt mit einem erfahrenen Kader. Die Abwehr: 33, 30, 29 und 26 Jahre alt (Klinsmann: 27, 26, 23, 22 Jahre). Das franz. Mittelfeld ist jünger: 30, 28, 26, 26 Jahre (Klinsmann: 33, 30, 30, 22). Und der franz. Angriff ist blutjung: Henry und Trezeguet sind 21 Jahre alt (Klose & Podolski: 28, 21 Jahre).

Dieser Altersvergleich macht noch einmal deutlich, dass die WM für Deutschland vielleicht 2 Jahre zu früh kommt. Aber hat Jürgen Klinsmann Alternativen gehabt?

Debakel

Ebenfalls im Heft ist ein kleines Portrait des französischen Trainers der Elfenbeinküste, Henri Michel, der noch einmal nachdrücklich das Debakel schilderte, dass er 1994 in den USA als Trainer Kameruns erlebte.

Sechs Monate vor der WM wurde Henri Michel vom Verband angeheuert und versuchte in kürzester Zeit mit vier Vorbereitungscamps quer über die ganze Welt eine Einheit zu formen. Doch Spieler und Verband waren noch vom Erfolg bei der WM 1990 geblendet und ergingen sich in endlosen Debatten über Prämien. In den Tagen vor der WM halten die Diskussionen an, die Nominierung des 42 jahre alten Roger Milla und die Konkurrenz der Torhüter untereinandere, brachten das Faß zum Überlaufen. War der Start in die WM mit einem 2:2 gegen Schweden noch in Ordnung gewesen, geriet die Situation nach einem 0:3 gegen Brasilien und einer 1:6-Klatsche gegen Russland außer Kontrolle, inkl Faustkämpfen im Hotel. Henri Michel meint noch heute: “Wenn ich mir diese Verschwendung von Talent damals ansehe, wird mir übel […] Die Erfahrung mit Kamerun hat nicht meine Passion für Fußball getötet, aber meine Sensibilitäten ausgelöscht.”

Das Problem Patrick Viera

Es folgt dann eine mehrseitige Analyse des Testspiels gegen Dänemark, ohne dass irgendwo der Spielverlauf schriftlich ausgebreitet wurde.

Den Dänen wird attestiert mit dem 4-3-3 und einem aggressiven Mittelfeld das französische Spiel in Probleme gebracht zu haben. Sorgen macht dabei vorallem Patrick Viera, dessen Antileistung im Dänemark-Spiel für die gesamte rechte Seite ein Problem darstellte, da der Gegner ungebremst auf Sagnol und Thuram zurennen konnte. France Foot fragt daher, wie tragbar Viera und das aktuelle 4-3-1-2 ist. Da France Foot nicht an einer Ausbootung von Viera glaubt, spekuliert es über ein Wechsel zum 4-2-3-1, bei der Viera (dann zentraler) mit Makelele defensives Mittelfeld spielen würde und Wiltord oder Ribéry an der Seite von Zidane und Malouda die Sturmspitze Henry unterstützen würden.

Für Viera spräche, dass er auf Mission ist. Er hat sich und den Zuschauern was zu beweisen, nach einer furchtbaren Saison bei Juventus und nachdem er als zentrale Figur in der Nationalmannschaft nach Abgang von Deschamps noch keinen Titel geholt hat.

Thomas Berthold und die Dolce Vita

Auf vier Seiten wurde der Weltmeistertitel Deutschlands bei der WM 1990 aufbereitet, u.a. mit einem sehr relaxten Interview mit Thomas Berthold. Ein kleines Highlight aus dem Interview: Frage von France Foot zum Viertelfinale gegen die CSSR nach dem Achtelfinalsieg gegen Holland: Warum wurden Thon und Littbarski aus der Startelf genommen und auf die Bank gesetzt? Antwort Berthold:

Nach außen hin mag es überraschend gewesen sein, aber Beckenbauer hatte die Angewohnheit zwei Spieler aus der vorigen Startelf für das nächste Spiel auf die Bank zu setzen. Gegen die CSSR hatte es Thon und Littbarski erwischt, im Halbfinale ließ Beckenbauer dann Thon und Bein spielen und wieder war jedermann überrascht.

Ich weiß nicht warum Franz das gemacht hat. Intuition? Erkenntnisse aus dem Training? Franz hat sich niemals erklärt, gab nicht die kleinste Erläuterungen. Keine taktischen Anweisungen. Nichts über den Gegner. Kein Stück Videoanalyse. Vor jedem Essen sagte er immer nur: “Hörts, wir können uns nur selber schlagen. Mahlzeit”. Das einzige was er darüberhinaus gemacht hat, war uns vor dem Halbfinale gegen England zu fragen, ob wir nach Turin erst am Abend vor dem Spiel oder bereits drei Tage vorher fahren sollten.

Noch ein Highlight zum Thema Lothar Matthäus. Frage von France Foot: warum hat im Finale Andy Brehme den Elfer geschossen und nicht Lothar Matthäus?

[Berthold fängt an hysterisch zu lachen] Weil Lothar nicht die Eier hatte. Er sagte, er wolle nicht schießen, weil er neue Fußballschuhe habe und darin noch kein gutes Ballgefühl besässe. Hey, kein Profi zieht zu einem Finale neue Fußballschuhe an. Nein, Unsinn, Matthäus hatte Muffensausen. Das war Lothars große Schwäche: wenn es brenzlig wurde, verschwand er.

Weitere WM-Themen in der France Football vom letzten Freitag:
“Die Apostel der Methode Orange” über die vier holländischen Trainer bei der WM.
“Lemerre, von einem zum anderen Leben” über die Wiedergeburt von Roger Lemerre als Nationaltrainer Tunesiens nach dem bitteren Fiasko also französischer Nationaltrainer bei der WM2002.

Darüberhinaus einige Artikel zum in- und ausländischen Fußball (neuer Trainer bei Auxerre, Interview mit OM-Präsidenten, Artikel zum Wechsel von Schevtschenko)

DFL, Telekom und ARENA: Weißer Rauch! (Updt.)

[Update Mi 17h16: Die Namensrechte sind anscheinend doch vergeben worden. Siehe auch Meldung von ftd.de. Blogeintrag wurde an diesen neuen Umstand angepasst]

Sie haben es gnadenlos durchgezogen: eine Pressekonferenz im medialen Windschatten der Nationalmannschaft: selber Uhrzeit (12h30), 700km weiter südlich (München) und kurzfristig anberaumt (erst gestern nachmittag).

Angesichts der unterschiedlichen Medienberichte konnte man sich bereits gestern abend/heute morgen ein gutes Bild über den sich abzeichnenden Kompromiß machen, siehe Screensport von heute morgen. Nun ist auch amtlich und offiziell weißer Rauch aufgestiegen.

Daher nur in Stichworten:
Die Telekom verzichtet “freiwillig” auf die Ausstrahlung des IP-TV-Signals via Satellit und Kabel und wird das Signal nur in sein VDSL-Netz einspeisen. Die Telekom bekommt dafür einen Preisnachlass in unbekanntem Umfang.

Die Telekom bekommt die Mobilfunkrechte.

Die Telekom wird für die nächste Saison “Premium-Partner“, also Liga-Hauptsponsor (Bundesliga & 2te Liga). Das Telekom-Logo wird an allen Trikotsärmeln sowie auf den Auswechseltafeln zu sehen sein. Die Telekom erhält eine Option auf Verlängerung dieses Sponsoring um zwei weitere Spielzeiten (3 Jahre sollen die Telekom angeblich 60 Mio EUR kosten oder 30 Mio p.a.). Die Namensrechte (“Telekom Bundesliga” o.ä.) werden “zunächst”(!) nicht vergeben.

Die Telekom wird ab der Saison 2007/08 auch als Namensgeber der Bundesliga auftreten. Die Bundesliga wird dann offiziell vermutlich “T-Com-Bundesliga” genannt. Die entsprechenden Änderungen ließen sich für diese Saison derart kurzfristig nicht mehr umsetzen.

ARENA verzichtet aufs Streaming der Liveübertragungen ins Internet.

ARENA bekommt auch die Sportsbar-Rechte (da gibt es derzeit widersprüchliche Meldungen).

Die PREMIERE-Aktie ist nicht weiter abgestürzt. Diese Entwicklung ist wohl bereits in dem gestrigen 6,8%-Sturz eingepreist worden.

Geschmack

Hier ist dann auch nochmal die offizielle Pressemitteilung der DFL, wg. Wortlaut nicht uninteressant. U.a.:

Trotz weiterhin unterschiedlicher Rechtsauffassungen erzielten der Ligaverband und die Deutsche Telekom AG ein gemeinsames Verständnis bezüglich der Nutzung der erworbenen Übertragungsrechte für das Medium Internet.

Damit wird also keinerlei Rechtsauffassung des einen oder anderen bestätigt. Das klingt in den Zeitungs-/Agenturmeldungen mitunter etwas anders.

Damit kann die Geschichte endlich ad acta gelegt werden und alle Scheinwerfer nun auf ARENA und Kabel Deutschland (und kleinere Kabelnetzbetreiber), damit auch hier endlich die Zeit der Vertröstungen vorbei ist.

Daneben

Die SportBILD hat heute morgen vorabgemeldet und lag bei diversen einigen Details a bisserl daneben (“Namenspatronat” wurde nicht verkauft, aber für annähernd die gleiche Summe die oben erwähnte Premium-Partnerschaft, ARENA wird nix im Internet bringen etc…). Interessant ist diese Aussage: ARENA soll auch die Übertragungsrechte am Ligapokal bekommen.

Die Rechte am Ligapokal liegen aktuell noch bei PREMIERE, die zudem auch den Pokal sponsern (vulgo: “PREMIERE Ligapokal”). Ich bin gespannt wie groß das Interesse bei PREMIERE ist, diese Bundesliga-“Preseason”-Berichterstattung noch zu leisten…

WM-Shots: Weißer Rauch!

Nationalmannschaftsaudienz

Harald Stenger sei Dank, die heutige PK geht pünktlich um halb eins los. Zuerst die freudige Mitteilung: Michael Ballack kann heute am Training wieder teilnehmen, weißer Rauch steigt auf, wildfremde Menschen auf Deutschlands Straßen liegen sich in den Armen, Feuerwerke werden gezündet. Thanks God, Ballack kann spielen.

Zu Gast waren diesmal Bastian Schweinsteiger und Lukas Podolski. Beide grinsen in der halben Stunden nonstop. Lukas Podolski startet mit der launigen Eröffnung: “Ich bin dodal logger, ich freue mich auf München und wir müssen Costa Rica weghauen.

“Bravo Sport” fragt Lukas Podolski nach der neuen Frisur von Schweinsteiger, ein ARD-Hörfunkjournalist fragt tatsächlich wegen der Frisur nochmal nach(!), ein polnischer Journalist wiederholt seine Frage von gestern, nach dem polnischen Einfluß in der deutschen Nationalmannschaft und wieviel Polnisch Podolski und Klose miteinandersprechen.

Meine Fresse, die meisten Fragen sind indiskutabel (“Woher nehmt ihr die Zuversicht, dass ihr genau so gut wie im Confed-Cup spielt”).

Gute Frage eines italienischen Reporters an Schweinsteiger: ob er vom neuen Ball profitieren würde, da die Torhüter über dessen Flattern klagen würden. Schweinsteiger bestätigte das der Ball sowohl in der Vertikalen als auch Horizontalen aus großer Distanz sehr flattert, mache aber das präzise Schiessen auch nicht leichter (siehe auch GUARDIAN-Blogeintrag “You know the World Cup’s on the way when you hear goalies complaining about the ball.” und Paul Robinson über den Ball).

Dann gab es eine Viertelstunde lang Jens Lehmann, zu dem es aber nicht eine einzige nennenswerte Frage bzw. Antwort gab.

Kurz und schmerzlos

Die Donnerstagsausgabe der L’Équipe wird ein umfangreiches WM-Special beeinhalten. ich hoffe dass es auch der internationalen Version und der Download-Version (1 EUR) beiliegt.

Die SportBILD hat von ihrem WM-Sonderheft eine englische Ausgabe produziert, die inzwischen aktualisierte Kader und Rückennummern enthält. Kann jemand verifizieren ob es inzwischen evtl. auch eine zweite Auflage der deutschen Version gibt?

Die GUARDIAN-Website hat seinen Fußball-Bereich heute komplett als WM-Teil relauncht.

Heute ist Rooneys Fußuntersuchung. Im englischen Lager strahlt fast alles übermäßige Euphorie ob seiner Teilnahme, die FA läßt verkünden, dass man nichts geringeres erwarte, als die volle Wiederaufnahme des Trainings von Rooney ab morgen. Nur ManUs Gary Neville und Rooneys Vorgesetzte in Old Trafford sehen das dezidiert anders. Sir Alex Ferguson hat schon angekündigt: wenn die Heilung nicht komplett und absolut ist, wird man Druck auf Rooney ausüben, aus “freien Stücken” auf seinen Platz im WM-Kader zu verzichten. Der Guardian bringt eine dritte Variante ins Spiel: Verschiebung. Eine dritte Untersuchung in der nächsten Woche abwarten und Ersatzmann Jermain Defoe nach Hause schicken.

Das Ergebnis der heutigen Untersuchung wird vermutlich nicht vor heute abend durchsickern.

Italien läßt heute Halbmast flaggen, denn die Seuche geht im Kader um: bei Gennaro Gattuso (bärbeissender defensiver Mittelfeld-Rasenmäher) wurde heute eine Muskelverletzung entdeckt, die ihn für 15 Tage lahmlegt und damit auch für die zweite Partie gg. USA zum Wackelkandidaten macht.

Definitiv out für die erste Partie gegen Ghana ist Italiens Außenverteidiger Gianluca Zambrotta. Gegen die USA könnte er in die Startelf zurückkehren. Fraglich ist Innenverteidiger Nesta, dessen Adduktorenverletzung bis Samstag behandelt und untersucht wird, ehe eine Entscheidung gefällt wird.

Gute und schlechte Nachrichten für Paraguay: Bayerns Roque Santa Cruz hat grünes Licht für das erste WM-Spiel (Sa gg. England) bekommen, während der zweite Stürmer José Cardozo zurückfliegen muss (Muskelzerrung). Ersatzmann wird Dante López vom FC Genua (5 Länderspiele) sein. Paraguay dürfte aber vermutlich eh mit einer Doppelspitze Santa Cruz/Valdez starten.

Tschechiens Milan Baros konnte wg. einer Verletzung nicht am Training teilnehmen und ist gegen die USA (Mo 18h) fraglich.

Kroatiens Trainer hat sich vor dem heutigen Spanien-Spiel entschieden und Pletikosa zur Nummer 1 im Kroaten-Tor ernannt.

Laut KICKER hat sich Pekerman bereits auf Argentiniens Startelf festgelegt, ohne Tevez und Messi. Im Mittelfeld wird Riquelme die beiden Spitzen Saviola und Crespo füttern. Gabriel Heinze kommt rechtzeitig in den Kader zurück und stellt mit Ayala, Burdisso und Sorin die Abwehr. Cambiasso und Rodriguez stellen sich neben Riquelme auf.

Screensport am Mittwoch: ist heute Schlußpfiff?

Sport vom Tage

Spiel 2 des Stanley Cups geht heute nacht über die Bühne. Spiel 1 bot rasantes, spannendes Eishockey. Carolina holte einen Drei-Tore-Rückstand auf, zur zwischenzeitlichen 4:3-Führung auf, ehe Edmonton zum 4:4 ausglich. 32 Sekunden vor Ende der regulären Spielzeit dann ein Deppentor, weil Oilers Nr2-Torwart Conklin und ein Abwehrspieler hinterm Tor den Puck falsch zuschieben, ein Canes-Spieler zwischenspritzt und den Puck um den Pfosten herum ins Tor ablegen kann.

Damit ist auch schon das Problem der Oilers benannt: Oilers Goalie und “Playoff-Maskottchen” Roloson hat sich im dritten Drittel eine Knieverletzung zugezogen und wird auch für Spiel 2 ausfallen. Gibt man dem unglücklichen Conklin Chance zur Rehabilitation oder Markkanen? Beide wirkten in der regular season nicht souverän. Beide mit einem Save% von nur .880 und Conklin gilt wg. Leiste als verletzungsanfällig.

Spiel 2 des Stanley Cups heute nacht um 2h bei PREMIERE und NASN, wobei man über die beiden in der Mittagszeit liegenden Wiederholungstermine von PREMIERE nur den Kopf schütteln kann.

Zwei Testspiele heute um 21h: Frankreich – China dürfte zu der Sorte von Spielen gehören, bei denen sich eine Mannschaft allen Ballast von der Seele ballern kann (21h TV5, EURO). Auf PREMIERE läuft das interessantere Spanien – Kroatien.

Zu den diversen Pressekonferenzen heute mittag werde ich vermutlich erstmal nix schreiben können, da außer Haus.

Schlußpfiff

Alles in der Nachrichtenlage deutet darauf hin, dass heute mittag die Koflersche “zweite Halbzeit” abgepfiffen wird und PREMIERE noch nicht einmal der Ausgleich gelungen ist.

Die DFL hat für heute mittag – parallel zur Nationalmannschafts-PK – zu einer Pressekonferenz mit der Telekom in München eingeladen.

Nach allem was man in den letzten Tagen in den Zeitungen lesen konnte, kann es sich nur um das Verkünden der Abmachungen zwischen Telekom, DFL und ARENA handeln. In der Essenz wird es wohl so aussehen:

Die Telekom speist ihre Internetrechte nur in ihr Netz ein, also keine Verbreitung via Kabel und Satellit. “Netz” meint vermutlich VDSL-Netz, aber ich habe nirgends von einen expliziten Ausschluß von ADSL gelesen. Die Telekom wird zudem vermutlich eine Art “Namensrecht” an der Bundesliga bekommen. Allerdings sollen sich zuviele Beteiligte (u.a. ARENA und ARD) gegen eine Umbenennung der Liga in “Telekom-Bundesliga” gewehrt haben. Die Medien tappen daher im Dunkeln wie die Namensrechte umgesetzt werden sollen.

Die ARENA ist nun beruhigt, da das “worst-case”-Szenario, einer potenten und reichweitenstarken Kooperation Telekom-PREMIERE vermieden wurde. Unklar ist, was aus den Internetrechten der ARENA wird (nur Live-Streaming). Hier heißt es in einigen Zeitungen, dass ARENA als Ergebnis der Verhandlungen mit der Telekom auf eine Sublizensierung an Telekom-Konkurrenz wie Alice/Hansenet oder Arcor verzichtet und Bundesliga-IP-TV nur in den eigenen Netzen anbieten wird.

Im Gegenzug scheint ARENA von der DFL mit den Sportsbar-Rechten bedacht zu werden, meldet jedenfalls die FAZ. Unklar ist, ob eine solche Vergabe schon heute mittag bekanntgegeben würde. Es wäre ein weiterer schwerer Schlag für PREMIERE, u.a. weil es auch für einen Kollateralschaden in Sachen PREMIERE WIN sorgt. Das einst angedachte Konzept von Wettannahmestellen in den Sportsbars würde PREMIERE nun auch von dieser Seite aus, um die Ohren fliegen.

Abseits der DFL haben ARENA und PREMIERE nun alle Zügel fallenlassen und ihre Rechtsabteilungen aufeinandergehetzt. Angefangen vor Wochen mit der plötzlichen Kündigung von PREMIERE der BetaCrypt-Lizenz für ARENA. Ende letzte Woche die Einstweilige Verfügung von ARENA, dass PREMIERE in seinen Angeboten nicht ausreichend hinweist, dass es nächstes Jahr PREMIERE-Bundesliga nur via IP-TV gibt.

Gestern der Gegenschlag von PREMIERE in Form einer einstweiligen Verfügung gegen die Satellitenausstrahlung des Pay-TV-Pakete tividi von der ARENA-Mutter Unity Media, wg. mangelhaften Jugendschutz. Das Verschlüsselungssystem Cryptoworks soll in Sachen Jugendschutz zu löcherig sein (soll sich zu einfach im Dekoder ausschalten lassen können).

Hier mal zwei Anekdoten zum Thema Decoder und Jugendschutz: ich habe meiner Freundin vor einem Jahr einen Dekoder für Kabel Deutschland gekauft. Beim Kauf auf “geeignet für PREMIERE” geachtet und gedacht, weil PREMIERE ja Pornos in diversen Geschmacksrichtungen ausstrahlt, dass damit der Decoder auch durch die härteste Jugendschutzkontrolle kommt. Falsch gedacht: beim Versuch das Abo zu bestellen, weigerte sich Kabel Deutschland die Seriennummer des Dekoders durchgehen zu lassen, da er “nur” PREMIERE-zertifiziert sei, Kabel Deutschland aber einen “härteren” Jugendschutz verlange… Soviel zum Thema “harter Jugendschutz bei PREMIERE”.

Damit nahtlos zur zweiten Anekdote, wie man obiges Szenario umgehen kann: im Internet nachsehen, welche Dekoder-Fabrikate von der KDG akzeptiert werden, ein ein Geschäft gehen, zum PREMIERE-Stand und dort einfach mal einen Blick auf den meterhohen Stapel an Receiver werfen, ob eine der Fabrikate dabei ist und dann von dem die Seriennummer aufschreiben. Mit dieser Seriennumer kann man sich dann seinen vermeintlich untauglichen Dekoder freischalten lassen (auf Satellit/Kabelvariante achten).

Der “knallharte” Jugendschutz à la PREMIERE sieht also so aus, dass die Dekoderseriennummern für jedermann, inkl. 1m20 großen Knirpsen einsehbar auf dem Rücken der Verpackungskartons draufgeschrieben sind.

Das Ende des Hirns

Die von mir am heißesten erwartete Schlagzeile der WM lautet: “Jugendlicher wegen Foto-Handy verhaftet”. An den sagenhaften Restriktionen der FIFA hat sich auch nach monatelangen Verhandlungen zwischen FIFA und Medien/Zeitungsverleger nichts geändert. Aus der heutigen FAZ:

Einen kleinen Schritt zurück hat die Fifa auch bei ihren Restriktionen für das Internet gemacht. Bisher sollte die Veröffentlichung von Fotos erst zwei Stunden nach Spielende erlaubt sein. Nach Protesten der deutschen und internationalen Zeitungsverleger, die längst auch Internetunternehmer sind, gaben die Weltfußballer nach und erlauben nun Bilder im Netz direkt nach Abpfiff.

Es bleibt jedoch beim Verbot, Fotos während des Spiels zu senden. Gleichzeitig bleibt die Beschränkung auf fünf Bilder pro Halbzeit. Gibt es eine Verlängerung und Elfmeterschießen, dürfen die Online-Journalisten ihren Lesern diese lediglich in zwei weiteren Bildern vermitteln. Wer mehr zeigen will, muß bei der WM in diesem Jahr erstmals Lizenzgebühren zahlen.

Ich warte darauf, wann der erster Blogger wegen Flickr-Photos aus den Stadien verknackt wird, wann dem ersten Blogger die Bezeichnung “WM-Blog” weggeklagt wird (steht auf den Tickets irgendwas von wegen Handy-Verbot?).

Mittwoch, 7.6.2006

10h30 MLB: ChiSox – Detroit, NASN delayed
(Whl: 21h30, 5h30)

12h00 – 19h45 Tennis, French Open: Viertelfinale der Herren, EUROSPORT live
Center Court, Spiel 1: Djokovic – Nadal/2
Center Court, Spiel 2: Benneteau – Ljuicic/4

ca. 12h30, 12h40 Pressekonferenz der deutschen Nationalmannschaft, ARD + ZDF + PHOENIX + PREMIERE + N24 live
PREMIERE ab 12h15, PHOENIX ab 11h30, ZDF ab 12h05, ARD ab 12h15

16h00 UCI ProTour: Dauphiné Libéré, 3te Etappe/Zeitfahren, EUROSPORT 2 live

20h00 MLB: Houston – ChiCubs, PREMIERE unverschlüsselt+live
(Whl: Do 12h, 4h, jeweils unverschlüsselt)

20h30 24h von Le Mans: Pre-Qualifying-Tests, MOTORS 30min

20h45 Serie B: Abstiegs-Playoff: Albinoleffe – Avellino, Rückspiel, EUROSPORT 2 live

21h00 WM2006, Testspiel: Spanien – Kroatien, PREMIERE live
(Whl: 3h30, Do 0h30, 4h)

21h00 WM2006, Testspiel: Frankreich – China, EUROSPORT + TV5 Monde live

0h35 – 4h45 WM 1970, ARD

2h00 NHL, Stanley Cup: Carolina Hurricanes – Edmonton Oilers, Game 2/7, PREMIERE+NASN live
(Whl PREM: Do 10h30, 14h)(Whl NASN: Do 14h30, 19h, 5h) Serie 1-0

WM-Shots: der dritte Weg

In dieser Woche startet das ZDF mittags mit der “Drehscheibe” seine WM-Berichterstattung inkl. Übertragung der Pressekonferenz des DFBs.

Die Sendung ist angefüllt mit bunten Beiträgen, wie z.B. der “tolle” Empfang von Trinidad & Tobago oder über fußballspielende Tiere etc… plus unsympathisch glatten Moderatoren.

Doch, hört, hört, es gibt noch einen Sender, den dritten Weg abseits der ÖRs und PREMIERE: PHOENIX. Ich habe nicht viel erwartet und gemessen an dem was die anderen Sender bringen, kann sich das Ding sehen lassen. Eine Stunde vor der Pressekonferenz fängt man mit einer bunten Mischung an Beiträgen an, nicht ganz so grenzdebil wie das ZDF. In den Minuten vor der Pressekonferenz holt man dann als Experten Steffen Freund hinzu. Und jener Steffen Freund erweist sich als überraschend telegener Fernsehexperte: meinungsfreudig, Sachverhalte in präzisen Sätzen knackig auf den Punkt. Inhaltlich hat es nicht die ganz große Fallhöhe, aber in Form und Inhalt war dieser erste Auftritt besser als das was auf den anderen Frequenzen um die Mittagszeit zu sehen ist. (Und wenn man die Augen zumacht, klingt er mit Stimmlage und Sprachmelodi nach Christoph Daum).

PHOENIX überträgt zudem fallweise in der Mittagssendung weitere Pressekonferenzen wie z.B. heute das Briefing von Brasilien.

Kaffeesatzleserei

Michael Ballack hat eine Verhärtung inner Wade und trainiert daher vorsichtshalber derzeit nicht mit.

Einem Reporter ist aufgefallen, das Miro Klose sich im Training zurückgehalten habe. Joachim Löw hat diese Beobachtung nicht geteilt.

Auf Nachfrage eines Journalisten bestreitet Löw, dass man im Kolumbienspiel defensiver ausgerichtet gewesen sei. Die Auswertung nach dem Spiel habe das Gegenteil gezeigt. “Wischtig” ist die Raumaufteilung und das entsprechende Lauf- und Positionsverhalten aller Spieler.

(Eine Bitte an den DFB, so denn er hier mitliest: könnwa die Pressekonferenz pünktlicher anfangen lassen, damit ich rechtzeitig um 13h zu BBC Five Live schalten kann? Danke, Herr Stenger)

Frage des KICKERs (“Karlo” Wild): Wie kann man Costa Rica knacken?
Löw: Technisch beschlagen, 3-4 hervorragende Fußballer im zentralen Mittelfeld und in der Spitze. Man solle sich nicht durch die Positionswechseln im Laufe der Testspiele irritieren lassen.

Vor einem Jahr wurde das “Team Köln” aufgebaut (habe ich noch nie von gehört), dass die verschiedenen Länder neben Urs Siegenthaler beobachtet hat und man habe eine enorme Fülle an Material. Nun gilt es die Essenzen auszusieben. Gestern hat man der Mannschaft eine allgemeine DVD über Land und Leute aus Costa Rica gezeigt (nur 3 Minuten) sowie Ausschnitte aus dem Spiel gegen die USA. Nun wird eine spezielle, zirka 20-25minütige DVD mit Stärken und Schwächen der Costa Ricaner zusammengestellt, zudem wird jeder Spieler speziell auf seine möglichen Gegenspieler eingestellt. Dieses Prozedere soll aber bereits am Mittwoch abgeschlossen sein. An den restlichen beiden Tagen will man sich dann aber ausschließlich den Stärken Deutschlands widmen und sich nicht weiter um den Gegner kümmern.

Statements von Michael Ballack: im Widerspruch zu Löw sagt er, dass er heute morgen mittrainieren konnte. Er ist zuversichtlich am Freitag spielen zu können.

Wie gut das Michael Ballack nicht den Guardian zum Frühstück bekommt, wo Karl-Heinz Rummenigge mit einer großen Kragenweite ein Interview gegeben hat.

Kurz und schmerzlos

Auf einer Pressekonferenz bezeichnete Sven-Göran Eriksson die Heilungsprozeß bei Rooney als “sehr gut”. Eriksson ist im übrigen bei Real Madrid als Trainer im Gespräch, je nachdem wie die Präsidentschaftswahlen ausfallen.

Gary Neville wird heute das Training wieder aufnehmen.

Brasilien verlautbart, das Ronaldos Blasen am Fuß kein Problem sind. Auf Nachfrage handelt Coach Parreira Argentinien als ganz heißer WM-Favorit. Diese Geschichte mit Brasilien als Favorit, interessiert die Mannschaft nicht. Die Favoritenrolle wird von außen herangetragen. Die Spieler selber wären bescheiden geblieben. Jedes Spiel wird als Herausforderung gesehen. Es ist ein Traum im Finale zu stehen, wurscht obgegen Deutschland oder Argentinien.

WM-Shots: Resteverwertung

Kurz und schmerzlos

Englische Zeitungen künden vom Wiederauferstehen des Heilands Wayne Rooney, der gestern im Training wieder einen Schuß gewagt haben soll.

Rätselhaft ist die Lage bei den Holländern. EUROSPORT widersprach sich binnen fünf Minuten um den Zustand der verletzten Spieler Cocu und Snijder (Kezman ist wieder im Training). Bei De Telegraaf heißt es: ” Cocu en Sneijder hebben nog veel pijn Phillip Cocu en Wesley Sneijder, […] klaagden maandag nog steeds over erg veel pijn.”

Ohne Flämisch zu können, interpretiere ich das einfach mal als: Cocu und Snijder haben noch große Schmerzen, aber die Lage ist nicht ernst (” Blessures Oranje niet ernstig”).

Die EUROSPORT WM-Show

Keine Ahnung ob die Sendung wirklich so heißt, aber ich bin jetzt gerade zu faul auf der unerträglich lang ladenden EUROSPORT-Website nachzuschauen… Mit dem gestrigen Montag debüttierte eine tägliche WM-Sendung von EUROSPORT. Aus dem Sendezentrum in Paris ausgestrahlt, in Englisch produziert und in Deutsch wird rübergequatscht. Entweder ist die Sendung aufgezeichnet, oder die Freddies im Pariser Studios sind kleine Sprechroboter die nur vom Teleprompter ablesen und daher so gut und flüssig von den deutschen Journalisten simultangedolmetscht werden.

Pluspunkte gibt es für EUROSPORT, weil man auf einen Fernsehkoch verzichtete, Minuspunkte weil man nichtsdestotrotz eine Hupenträgerin zur Auflockerung präsentierte: das deutsche EUROSPORT-Girl durfte in 90 Sekunden (oder so) eine deutsche Stadt präsentieren. Als erstes kam Hamburg dran. Ich fand es faszinierend, wieviel Mühe man sich mit der Produktion gemacht hat: einen Aufsager vor dem Südsteg des Hauptbahnhofs, eine Straßenumfrage in der Spitalerstraße, knappe 100m entfernt, einen Aufsager an der Binnenalter, 300m entfernt und dann noch einen Dreh auf dem Heiligengeistfeld. Um die WM-Vorbereitungen der Stadt zu dokumentieren, wurde die Kameras auf einige Schaufenster gehalten. Dort gab es zum Beispiel – Shocking! – Fußballtrikots zu sehen! Da hat Hamburg doch klar was den anderen Städten voraus. Fußballtrikots in Schaufenstern. Erleben Sie morgen, wenn das EUROSPORT-Girl in Hannover vor dem Rathaus eine Frankreich-Flagge als Highlight niedersächsischer WM-Ekstase verkauft.

Das Gequatsche zwischen dem englischen Moderator und dem Experten (diesmal Ian Rush) ging nur selten auf ein Niveau nördlich von Jauch/Völler (“Brasilien gehört zu den Favoriten”) und selbst dann mochte man es argumentativ lieber simpel: “Abidal und Malouda haben gegen Dänemark sehr gut zusammengespielt. Das hat gut zusammengepasst. Beide spielen sogar zusammen bei Lyon”…

Ansonsten war man ob der Nachrichtenlage etwas verunsichert. Diskutierte man anfangs noch darüber, dass Snijder voraussichtlich für die ganze WM ausfallen wird, sprach der zweite Mann im Studio später davon, dass Snijders Verletzung nicht gravierend ist und er bei der ersten Partie wieder dabei sein könnte.

Dieser zweite Mann, und damit kommen wir zu einem weiteren negativen Punkt, ist “Der Insider” und spielt den Oberchecker beim EUROSPORT-eigenen WM-Manager-Spiel. Schnaaaaaaaaarrrrccchhh… Schon wieder hält ein Sender sein Rahmenprogramm für so wichtig, dass er daraus ein substantielles Element der Berichterstattung macht… Bei einer zweistündigen Sendung von mir aus, aber nicht bei 30 Minuten!

Zusammenfassung: die EUROSPORT-WM-Show gehört in dieser Verfassung nicht zu den Pflichtveranstaltung und der mangelnde Zweikanal-Ton bzw. das permanente Hören von zwei Sprachen führt bei mir zu erhöhter Ohrschmalzproduktion.

PREMIERE WM-Studio

Gestern gab es auch das erste PREMIERE-WM-Studio (mittags 12h15–14h) u.a. mit den Schriftinserts wie sie auch die Produktionsfirma HBS für die Fußballübertragung verwendet (PDF, danke Reality Check). Damit wissen wir schon mal was uns optisch erwartet.

Patrick Wasserziehr führte gewohnt markig durch die Sendung, an seiner Schokoladenseite, rechts vom Nußknacker-Unterkiefer, der PREMIERE-WM-Experte Ottmar Hitzfeld (“Brasilien ist einer der Favoriten”). Im Zentrum stand die Übertragung der offiziellen Nationalmannschaftspressekonferenz. Klinsmann wirkte weiterhin nicht frisch wie gewohnt, spielte fahrig mit seinen Händen und führte sich mit einem offensichtlich von langer Hand vorbereiteten Scherz ein (“Wir freuen uns, in unserer Hauptstadt angekommen zu sein. Ich hoffe, ihr habt alle bis zum 10. Juli gebucht.“), der ebenso elendig in der Journalisten-Meute versackte, wie er sich jetzt hier anhört.

Knallharte Reporter aus aller Herren Länder versuchten Klinsmann zu entlocken, ob er nun Ballack und Frings auf einer Linie spielen läßt und wie seine Taktik gegen Costa Rica aussähe. Ich hoffe es ist nicht irgendjemand in der Pressekonferenz verblüfft gewesen, dass Klinsmann der Beantwortung dieser Fragen ausgewichen ist.

Was ich übrigens auf solchen Pressekonferenzen überhaupt nicht ab kann, ist das elendige, hinterfotzige Geduze. “Ich und der Jürgen, wir sind per du”.

Nach Klinsmann gesellte sich Arne Friedrich in die Fragerunde und die Journalisten legten das Niveau noch einmal eine Etage tiefer, bis hin zur Frage vom “Spreeradio”: was für eine Halskette Friedrich da tragen würde, ob er abergläubig wäre und wer ihm die Kette geschenkt hätte.

Zurück zu PREMIERE. Dort kam noch einmal der Arne Friedrich vorbei und musste sich prompt teilweise die gleichen Fragen wie auf der PK anhören (Wie ist das Hotel?) und um das ganze abzurunden, haben sie den Reporter-Mutanten Becker nach Grünewald geschickt, damit er mit den Kameras brabbelnderweise einmal quer durch die Hotel-Lobby laufen und die Wichtigkeit von weichen Hotelbetten betonen kann. Und wir dachten bislang, dass Besenkammern Beckers weapon of choice ist.

Wer wirklich etwas Substantielles zum Hotel lesen will, den verweise ich auf ein Interview der Hotel-Managerin in der FAZ.

Und das war es dann eigentlich auch schon von der PREMIERE-Sendung, die sich anfühlte wie 120 Minuten “Alle Spiele, alle Tore”, nur ohne Spiele und ohne Tore, kurz: ohne Sinn.